Wand und Boden: Wenn der Schlag über den Boden schleift
■ Kunst in Berlin jetzt: Petersons, Medium Bild, Kramer, Qiu
Ein Nachtrag: Die linke Tür im Erdgeschoß der Augustraße 91, hinter der sich die Rauminstallation von Gunda Förster zum Thema „Rot“ letzte Woche noch hartnäckig verbarg, steht wieder offen: bis zum 26. 2., Mi–Sa 15–19 Uhr, für jeden.
In einer nicht minder resoluten Farblage angesiedelt ist auch „Der orangene Projektor“ des lettischen Malers und Konzeptualisten Ojars Petersons. Ikonisch überzieht er die Welt zu gleichen Teilen sakral und profan mit monochrom leuchtender Farbe und „orangiert“ die Gegenstände neu: Trichter, Bojen, Container, selbst der päpstlich weiße Talar ist auf endlosen Filmstreifen orange grundiert. Im Sinne Beuys' erweitert Petersons die Leinwand des Künstlers um jeden möglichen Kontext. Zu einer Aktion auf der Insel Gotland hatte er ein überdimensionales Sprachrohr als Symbol des permanenten Kommunizierens über Kunst aufgestellt und in Orange getaucht – verstand sich Petersons doch in diesem Fall als oberster Kommunikator. Dabei wird die dominant strukturierte Oberfläche zum Ordnungsprinzip der verschiedenen Glieder und führt die gesamte Installation praktisch ad absurdum: Was ist das Ganze, und was sind die Teile? Wo hört der künstlerische Prozeß auf beziehungsweise fängt dessen Rezeption an? Denn durch die Omnipräsenz der einenden Farbe verliert man jeglichen Bezug zur gleichgemachten Gegenstandswelt, während das Orange die Einbildungskraft oder zumindest gewisse Gefühle anspricht, vielleicht im Sinne der Farbenlehre Goethes, der darin die Lichtkraft der Natur beschrieb. Bei Petersons wird diese romantische Verbundenheit obsessiv und insofern schon wieder ironisch gebrochen.
Bis 13. 3., Di–Fr 11–13.30 und 14–18 Uhr; Sa/So 11–13.30 und 14–17 Uhr, ifa-Galerie, Friedrichstraße 103, Mitte.
Manche Titel wirken Wunder: Medium Bild nennt sich eine Sammlung von Bildinstallationen, die in der T&A-Galerie zu sehen sind. Die Wirklichkeit dagegen nimmt sich ungleich bescheidener aus: Mimmo Catania hat zwei weiße Bettbezüge in den Keller gehängt, deren Spitzen mit einem Krug und einem Baguette verknotet wurden, im Hintergrund sind dazu weiße Kunstfasermatten an die Wand genagelt. Catania benutzt das Material in einer Art lyrischer Rekonstruktion malerischer Wirklichkeit. Daneben sind sechs schlichte Holztafeln angebracht, auf denen er Zeitungsfotos mit Pastell und Kohle überarbeitet hat. Auch Riszard Wasko formt Assemblagen zum Bildfeld um: In einem Kupfergehäuse taut ein gefrorener Block aus Milch langsam ab, tropft in eine verrußte Zinkschale, bis die Flüssigkeit alle Schwärze überdeckt, käst und fest wie Farbe wird. Der Prozeßcharakter wird noch durch eine helle Glühbirne verstärkt, doch der elektrische und immaterielle Kreislauf betont eher den pathetischen Charakter der Installation – wie ein abstrakter Heiligenschrein der Ars povera. Nur auf den ersten Blick scheint Kain Karawahn dieses Szenario mit seiner Feuer-Performance überbieten zu wollen. Dabei stellen die etwa 1.200 Kerzen, die er bei der Eröffnung auf dem Fußboden abgebrannt hat, völlig unsymbolisch nur das Ausgangsmaterial dar. Das langsam zerfließende Wachs in Rot, Schwarz und Weiß dagegen erzeugt mit der Zeit ein mattes Bild auf dem Boden, das seine Konturen lediglich durch den Wärmefluß annimmt. Während der Aktion erinnerte der kniende Zündelmann ein wenig an Straßenmaler, fast abwesend über das Bild gebeugt und ganz in seinem Element.
Bis 1. 3., Di–Fr 15–18 Uhr, Sa 12–16 Uhr, Wallstraße 60, Mitte.
Die Spontanität ihrer Arbeit ist auch einigen der Installationen von Bastienne Kramer im Studio II des Künstlerhauses Bethanien anzumerken. Aus fünf aufeinandergestockten Teppichbahnen hat sie eine elliptisch gebogene Wand eingezogen, die auf halber Breite den Raum zerteilt. Auf deren hinterer Seite verbirgt sich das Designermodell eines HipHop- Trainingsanzugs, allerdings aus Holzkugeln gefertigt, die in Mattenform normalerweise Taxifahrersitze schützen. Zwar hängt er ordentlich an einem Bügel, doch zu tief, so daß der Schlag über den Boden schleift. Es scheint, als habe Bastienne Kramer den ironischen Umgang mit der Alltagssituation in Kreuzberg gesucht und als holländischer Gast des Atelierprogramms eine doppelte Fremde in der neuen Wirklichkeit einzufangen versucht. Worauf kann man sich in der Gegenwart verständigen? Im Eingangsbereich versperrt ein Regallager aus neun Schrankelementen den Weg. Als Schubladen dienen Kisten vom Gemüsegroßmarkt – solche, die sich vor den Shops auf der Oranienstraße stapeln. Sie sind etikettiert: „Holland Klasse I“; der Inhalt: „Auberginen“ oder „Paprika“. Schon an der nächsten Straßenecke werden sie zum Symbol für osteuropäische Lebensart und Kultur. In beiden Fällen ist die Zuschreibung künstlich, klaffen Ort und Eingriff auseinander. Kramer nimmt die Grenzsituation mit Humor.
Bis 20. 2., Di–So 14–19 Uhr, Mariannenplatz 2, Kreuzberg.
Für den umgekehrten Weg hat sich scheinbar Ping Qiu entschieden: Ihre Installation „Die chinesische Tür“ wendet sich an die traditionelle Kultur der Volksrepublik und dekonstruiert sie von Westen her. Einfach, aber komplex wie sonst nur Ready-mades hatte Ping Qiu bereits 1991 eines der mächtigen Tore zur Verbotenen Stadt nachgebaut und nur in Details verändert: Die kaiserlichen Türknöpfe waren in ihrer simplen Kreisform zu handlichen Brüsten umgestaltet worden, die eine schwere Stahlkette miteinander wie gepierct verband. Die Tür, „zu der man gehen kann, aber nicht durchgehen“ (Ping Qiu), steht als Zeichen für die Unterdrückung der Frauen in China. Drei weitere Raumarbeiten wiederholen die Kritik an der ungebrochenen Tradition archaischer Kultur und Herrschaft: „1,2 Milliarden Reisschüsseln für China“ etwa überträgt die real existierende Armut auf einen meterhohen Rechenschieber und Tonschalen zur höheren Mathematik. Einige Schüsseln des Modells haben bereits Sprünge, an anderer Stelle klemmt der Rechner. Wo Korruption regiert, hungern die Menschen.
Bis 27. 2., Di–So 12–18 Uhr, im Saalbau Neukölln/Galerie, Karl- Marx-Straße 141, Neukölln. Harald Fricke
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