piwik no script img

Die Post überläßt das Geschäft der Konkurrenz

■ Wolfgang Bötschs Paketverordnung ist seit dem 1. Februar in Kraft: Ministerium muß Tarife genehmigen, flächendeckende Beförderungspflicht bleibt

Berlin (taz) – Wenn Sozialdemokraten und Gewerkschaften die Privatisierung der Post kritisieren, dürfen sie mit stillem Beifall des Postministers rechnen. Ausgerechnet CSU-Mitglied Wolfgang Bötsch hat den Liberalisierungsplänen seines Amtsvorgängers Schwarz-Schilling einen kräftigen Riegel vorgeschoben: Bötsch ließ eine sogenannte „Pflichtleistungsverordnung“ für den Paketdienst ausarbeiten, die seit dem 1. Februar in Kraft ist.

Das Regelwerk schreibt zunächst nur fest, was ohnehin im Grundgesetz steht. Deswegen ist es bisher in der Öffentlichkeit kaum beachtet worden. Denn auch nach der ersten Reform hat die Post ihre hoheitliche Aufgabe behalten. Die drei selbständigen Staatsunternehmen müssen ihre Dienste flächendeckend anbieten, auch dann, wenn sie das alte Monopol verloren haben.

Für den Paketdienst galt dieses Privileg schon lange nicht mehr, etliche private Unternehmen tummeln sich auf dem Markt. Aber ausgerechnet für diesen Bereich hat Bötsch aus dem Staatsauftrag ein Pflichtenheft abgeleitet, das der gelben Post kaum eine Chance läßt, sich gegen die wachsende Privatkonkurrenz zu behaupten. Seine Verordnung schreibt für unbestimmte Zeit vor, daß Pakete bis zum Gewicht von 20 Kilogramm in den hintersten Winkel der Republik auszuliefern sind, ohne daß dafür entsprechende Gebühren in Rechnung gestellt werden dürfen. Vielmehr müssen die Pakettarife in Zukunft vom Ministerium genehmigt werden, regionale Unterschiede oder nach Entfernung gestaffelte Preise sind ausgeschlossen.

Damit werde der „Daseinsvorsorge“ Rechnung getragen, wie es im Ministerium heißt: Ohne solche Bestandsgarantien sei die Privatisierung der Post, die einer Grundgesetzänderung bedarf, nicht mehrheitsfähig. Private Unternehmen gewinnen schon jetzt durch den vorweggenommenen Kompromiß. Sie können mit ihren Kunden immer günstigere Preise aushandeln. Die Post muß zusehen, ohne die Chancen ihres weit überlegenen Vertriebsnetzes nutzen zu können. So hat sie im letzten Jahr ihren Anteil an der bundesdeutschen Fracht auf 26 Prozent steigern können, auch der Paketdienst wuchs um vier Prozent, aber er schreibt unverändert rote Zahlen. Allein in Wetsdeutschland häuften sich 600 Millionen Mark Verluste an. Niklaus Hablützel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen