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SanssouciNachschlag

■ Eröffnungspremiere des Jüdischen Theater Berlin

Berlin ist um ein Theater reicher. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Vereinen (Theaterverein neunzehn neunzig, Blasnost, theater 89) fand am Sonntag im Großen Saal des Jüdischen Gemeindehauses in der Fasanenstraße die Eröffnungspremiere des Jüdischen Theaters Berlin statt. Trotz sibirischer Celsiuswerte erschien das Publikum zahlreich. In jiddischer Sprache wurde „Kleines Pogrom im Bahnhofsbuffet“ gespielt, das in der Sowjetunion und der DDR verbotene, derb-komische Stück des russischen Dramatikers Oleg Jurjew.

Die zwanziger Jahre gehören zu den fruchtbarsten und widersprüchlichsten Theaterjahren in Berlin. An diese, zum großen Teil auch durch jüdisches Leben geprägte, kulturelle Vielfalt, will das Ensemble anknüpfen. Die Truppe ohne festes Haus besteht aus jüdischen Schauspielern aus Rußland und der Ukraine und formierte sich im Kern schon letztes Jahr als jüdisch-russisches Theater „Kreis“. Sowohl jiddische als auch russischsprachige Aufführungen sind geplant. In der Regie von Alexander Levit und Adelheid Neumann wurde an diesem ersten Abend nun zunächst die russische Idylle einer Bahnhofsgaststätte und ihrer jüdischen Betreiber gezeigt. Daß diese nicht lange währen wird, sah man schon daran, daß zwei Lampenschirme des dreiarmigen Deckenleuchters umgebogen waren und Übles verhießen. Später werden hier, in einer gelungenen Nachbildung des Leuchters, die angstverzerrten, Rücken an Rücken stehenden Personen den Häschern des Pogroms ins Auge sehen.

Kaum ist das heimelige Lied der Wirtsleute Dworkes und Dworja verklungen, der Knabe zu einer Besorgung aus dem Haus geschickt worden, betreten der Geistliche aus dem Nachbardorf und der uniformierte Telegrafist unter Führung des Weichenstellers die Wirtsstube. Die Nachricht von einem bevorstehenden Pogrom ereilt die jüdischen Wirtsleute und ihren Diener Jankel. Wo zuvor Fröhlichkeit regierte, herrscht plötzlich High- noon. Die Ausgelassenheit ist jetzt ganz auf die Gesichter der Bewacher hinübergewechselt. Und die drei Juden beginnen um ihr Leben zu spielen, improvisieren Episoden, angeblich zur Unterhaltung, tatsächlich aber, um durch List entkommen zu können. Doch es gelingt ihnen nicht, jedesmal wird ihr Spiel rechtzeitig durchschaut. Wie überzeugend die schauspielerische Leistung war, zeigte die Betroffenheit, die sich im Publikum breitmachte. Stefan Wieszner

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