■ Polizeireserve: Gebremste Klärung: Im Schonwaschgang
Es muß schon verwundern, wenn der parlamentarische Untersuchungsausschuß zum Skandal um die Freiwillige Polizeireserve nach einem Jahr zu seiner ersten wirklichen Arbeitssitzung zusammenkommt. Dazu hat man sich seit der Konstituierung im Herbst letzten Jahres Zeit gelassen. Dabei finge die Arbeit nach der Vorlage des Berichts der polizeilichen Ermittler erst richtig an. Doch die Gemütlichkeit kommt nicht von ungefähr, sondern ist Programm: Bei der Großen Koalition gibt es kaum Aufklärungsinteresse, ob die aus den Zeiten des Kalten Kriegs stammende Truppe von Rechtsextremen und Kriminellen unterwandert wurde. Vor allem aber will bei CDU und SPD kaum jemand wissen, wer die politische Verantwortung für die jahrelangen Schlampereien zu übernehmen hat. Schließlich stellt die CDU seit über zehn Jahren den Innensenator und hat mit Heinrich Lummer zudem einen Mann in ihren Reihen, der bereits bei früheren Hinweisen auf kriminelle Mitglieder der Truppe offenbar vor allem an der Vertuschung des Skandals interessiert war. Bekannt ist schließlich, daß Lummer in seiner Amtszeit die wegen fehlender Aufgaben von der galoppierenden Auszehrung befallene Truppe neu aktivierte und sie als seine „liebste Selbsthilfegruppe“ lobte. Und auch bei der SPD ist wenig von dem vollmundigen Aufklärungselan übergeblieben, den die Sozialdemokraten nach Bekanntwerden des Skandals an den Tag legten. Bei der SPD fürchtet man den Hinweis aus der CDU, schließlich habe 1990 unter Rot-Grün der damalige Innensenator Pätzold (SPD) die Regelanfrage beim Verfassungsschutz abgeschafft. Beide Koalitionspartner eint deshalb der Wunsch, die in ihren Augen leidige Angelegenheit möglichst schnell abzuschließen und die Hilfspolizisten freizusprechen.
Die entscheidende Frage bleibt dabei außen vor: Welchen Sinn macht heute die noch vor dem Mauerbau als Gegengewicht zu den DDR-Betriebskampfgruppen aufgebaute Truppe? Die Hilfspolizisten sind nicht nur teuer und uneffektiv; der Bevölkerung ist auch kaum klarzumachen, warum man Kriminelle auch noch auf Steuergeldern den Umgang an der Waffe beibringen muß. Die Truppe aufzulösen bleibt nach den jetzt vorliegenden Ermittlungsergebnissen, nach der jeder vierte Freizeitpolizist selbst mit dem Gesetz kollidierte, der einzige Weg. Gerd Nowakowski
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen