Neue Runde in Somalias Machtkampf

■ Rückkehr zu den alten Bürgerkriegs-Fronten befürchtet

Nairobi (taz) – In Belet Huen, dem Stationierungsort der Bundeswehr in Somalia, sind alle ausländischen Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen evakuiert worden, nachdem am Wochenende zwei weitere Granaten auf das Gelände des US-amerikanischen IMC (International Medico Core) geworfen worden waren. Bereits vor einer Woche war ein leerstehendes Haus, das von der deutschen Organisation GTZ gemietet worden ist, Ziel eines ähnlichen Angriffs gewesen.

Der Hintergrund der Attacken ist bisher nicht bekannt. Unter Beobachtern wächst jedoch die Befürchtung, daß in ganz Somalia eine neue Eskalation der Gewalt noch vor dem geplanten Abzug US-amerikanischer Truppen und ihrer westlichen Verbündeten droht. Kämpfe, Überfälle und gezielte Angriffe gegen ausländische Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen ereigneten sich am Wochenende in verschiedenen Städten Somalias.

In Mogadischu wurden am Sonntag zwei italienische Mitarbeiter von Hilfsorganisationen entführt. Die noch unbekannten Täter fordern 50.000 Dollar Lösegeld. Am selben Tag wurde auch hier eine Bombe auf das Gebäude des IMC geworfen. Im Hafen der Hauptstadt griffen nach Angaben eines US-Militärsprechers fünf bewaffnete Somalier US-Truppen an, die das Feuer erwiderten.

Zu schweren Kämpfen kam es in der südsomalischen Hafenstadt Kismayo. Milizen von General Mohamed Said Hersi, besser bekannt unter seinem Spitznamen „Morgan“, vertrieben in einem 90 Minuten dauernden Gefecht rund 5.000 Ogadeni aus der Stadt – Anhänger von Morgans Gegner Omar Jeess, der bereits im letzten März zum Rückzug aus Kismayo gezwungen worden war. Nach Angaben von Hilfsorganisationen wurden bei den Kämpfen mindestens fünf Männer getötet und 32 verletzt. Die Attacke soll ein Vergeltungsschlag für einen Angriff der mit Omar Jeess verbündeten Milizen von General Farrah Aidid auf ein Militärlager Morgans in Bulo Xaaji, 80 Kilometer südwestlich von Kismayo, gewesen sein. Damit zeichnet sich eine Rückkehr zu den alten Fronten ab, die bereits vor dem Einmarsch US-amerikanischer Truppen im Dezember 1992 in Somalia bestanden hatten.

General Morgan, Schwiegersohn des 1991 gestürzten Präsidenten Siad Barre, hielt sich dem Vernehmen nach derzeit im nordostsomalischen Bosaso auf. Die verschlungenen Pfade somalischer Politik mit ihren wechselnden Allianzen lassen sich daran besonders gut ablesen: Bosaso ist die Region des Majerteen-Clans, der bis zu Siad Barres Militärputsch 1969 eine dominierende Rolle in der damals demokratisch gewählten Regierung gespielt hatte.

Vom neuen Regime wurde dieser Clan grausam unterdrückt. Bereits Ende der siebziger Jahre bildete sich die Widerstandsbewegung SSDF – heute aber ist ausgerechnet diese Gruppe unter General Abshir Musse mit der SNF von Barres Schwiegersohn Morgan verbündet, ebenso wie der einstige Gegner des Barre-Regimes Ali Mahdi in Mogadischu.

Was diese drei verbindet, ist ihre Feindschaft gegenüber Milizenchef Farrah Aidid. Er scheint gegenwärtig an Einfluß in Mogadischu zu gewinnen: Älteste verschiedener rivalisierender Clans haben dort Verhandlungen mit dem Ziel geführt, noch vor Abzug der US-Truppen eine Interimsregierung zustandezubringen. Farrah Aidid soll darin – anders als seinem Erzrivalen Ali Mahdi – eine hohe Position zugesichert worden sein. Beobachter sehen darin einen Grund dafür, daß Aidid SNA sich bereit erklärt hat, den Plan der Ältesten zu respektieren. Ali Mahdis Koalition aus verschiedenen Clans hingegen ist inzwischen gespalten: Die Mehrheit hat der Vereinbarung der Ältesten zugestimmt, eine Minderheit steht in Opposition dazu. Der Machtkampf in Somalia geht weiter. Bettina Gaus