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Minen made in Germany

Wer Minen einsetzt, führt Krieg gegen die Zivilbevölkerung, und zwar einen Krieg, der noch lange nach dem Abgang der Militärs seine Opfer fordert. Die Bundesrepublik ist als führender Produzent „intelligenter Minen“ weltweit mit dabei

„Bei Minen die erste Adresse“, wirbt „Dynamit Nobel“ stolz. Tatsächlich wird die Produktpalette der in Troisdorf ansässigen Firma so manchen Militärführer zu orgiastischen Phantasien verführen: Mit Artillerie, Raketen oder von einem Hubschrauber aus lassen sich in kürzester Zeit riesige Areale für den Gegner sperren, ohne daß auch nur ein einziger „eigener“ Soldat dabei in Gefahr gerät. Ein besonderer Knüller ist das Minenwurfsystem „Skorpion“: Mit sechs schwenkbaren Wurfarmen baut das Gerät innerhalb von nur zehn Minuten einen 15 Kilometer langen Minengürtel auf – die Legedichte ist vorher elektronisch einstellbar.

Die Zeiten, in denen Minen als Waffe des armen Mannes abqualifiziert wurden, sind vorbei. In verschiedenen westlichen Ländern forschen Ingenieure in den Rüstungsschmieden eifrig an „intelligenten Minensystemen“. Nicht nur die Möglichkeit der Fernverlegung wird dabei immer bedeutsamer. Die Techniker versuchen auch, die Waffen mit elektronischen Augen und Ohren auszustatten, damit sie Freund und Feind auseinanderhalten können. Manche Minen sind inzwischen so programmiert, daß sie erst zu einem bestimmten Zeitpunkt aktiviert werden und sich später selbst zerstören. Auch Geräte mit Mehrfachkomponenten, die sowohl auf Panzer als auch auf Weichziele – so heißen Menschen in der Branche – reagieren, bestimmen die Produktpalette künftig mit.

Als hochmodern gelten Minenteppiche, die an- und abgeschaltet werden können: Muß eine „eigene“ Truppe ein Areal passieren, knipst der Kommandant die explosiven Waffen aus; kommt das gegnerische Heer hinterher, werden die Soldaten zerfetzt. Die einstigen Primitivwaffen mausern sich damit zunehmend zu einem Hauptwaffensystem.

In Deutschland beteiligen sich eine ganze Reihe Firmen an der Minenforschung und -herstellung: Diehl mit ihrer Tochterfirma Junghans, die Dasa, Dynamit Nobel, Rheinmetall, Wegmann und Co, Buck und noch einige mehr. Viele von ihnen haben schon Nazideutschland aufgerüstet. Produziert werden gegenwärtig 17 verschiedene Minentypen, schätzt „medico international“. Dabei sind beileibe nicht alle „humane“ Minen, die nur zum Einsatz gegen schweres militärisches Gerät dienen, wie die Hersteller gerne behaupten. Aus dem Hause Dynamit Nobel kommt beispielsweise die Panzerabwehrmine AT-2, die auch einen ihr zu nahe tretenden Menschen in Stücke reißt. Und Diehl, Aerospatiale, Wegmann, Thyssen Henschel und MBB fertigen ein Raketenwerfersystem, mit dem Minen abgeschossen werden können, die gleichermaßen Menschen und Fahrzeuge zerstören. Doch auch jene Minen, die ausschließlich gegen Panzer gerichtet und mit einem Selbstzerstörungsmechanismus ausgerüstet sind, stellen eine große Gefahr für die Zivilbevölkerung dar: Sogar konservative Experten schätzen die Blindgängerquote hierbei auf fünf bis zehn Prozent.

Forschung und Entwicklung neuer Geräte sind teuer. Damit Deutschland seinen Standort sichert, technisch nicht abgehängt wird und die Bundeswehr wehrtüchtig bleibt, schießt der Staat Geld zu, und das offenbar in steigendem Maße. 1992 wurden nach Angaben der Bundesregierung 271 Millionen Mark für Forschung, Entwicklung und Produktion ausgegeben. Im Verteidigungsetat 1994 entdeckten die Mitarbeiter der Anti-Minen-Kampagne 355 Millionen Mark für Minen. „Tatsächlich ist das aber wohl entschieden zu niedrig angesetzt“, schätzt Angelika Beer von medico international. Die Erläuterungen, die Aufschluß darüber geben könnten, sind streng geheim. „Möglicherweise sind aber auch in anderen Haushaltsposten, etwa dem Forschungsetat, noch Gelder für Minen enthalten“, so Beer.

Gemeinsam legen Wirtschaft und Regierung Nebelbomben, wenn es um die Ausfuhr von Minen geht. Die Bundesregierung beteuert, daß Exporte aufgrund des Kriegswaffenkontrollgesetzes strengstens überprüft werden und auf keinen Fall in Krisengebiete gehen. Die Recherche von Greenpeace Schweden spricht da allerdings eine andere Sprache: In 19 Ländern entdeckten sie Minen made in Germany, darunter in Angola, Eritrea, Somalia und Kambodscha. Zwar stammen die zum Teil noch aus dem Zweiten Weltkrieg, und auch DDR-Produkte sind darin enthalten – aber die Anti-Minen-Kampagne bestreitet, daß die alte BRD an der Verminung in Bürgerkriegsgebieten der Dritten Welt unschuldig ist.

Gutes Geld verdienen deutsche Rüstungsfirmen auch mit der Zerstörung von Minen. 75 Millionen Mark aus dem Staatssäckel wurden allein für die Entwicklung des Minenräumpanzers Keiler bereitgestellt. Die in Florida ansässige Dasa-Tochterfirma CMS bekam 1991 von Kuwait den Auftrag, ein riesiges Gebiet nördlich der Hauptstadt des Wüstenstaates zu entminen. 134 Millionen US-Dollar kostete der Einsatz, der mit modernstem Gerät vorgenommen wurde: Roboter spürten mit Radar die Minen auf und zerstörten sie mit Laserstrahlen. Für die sogenannte Dritte Welt sind derartige Geräte aber nicht geeignet – da schlicht zu teuer. Annette Jensen

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