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Vom Tanz in einen Sturm

■ Die Warschauer Nationalphilharmonie spielte Brahms

Erst 20 Jahre nach dem großen Reinfall – seinem ersten Klavierkonzert – komponierte Johannes Brahms sein zweites Klavierkonzert. Die Warschauer Nationalphilharmonie bot im Rahmen der PRO ARTE-Reihe am Dienstag abend dieses zweite Konzert, in das Brahms hör- und fühlbar alles hineingelegt hat, was ihn bewegte.

Unter der Leitung von Kazimierz Kord spielte Pianist Valery Afanassiev in der Musikhalle diese Kompostion, die nicht einfach ein „Klassik-Schlager“ ist, den man in Gedanken vor sich hinträllert. Es ist ein Stück, das mit seinen vielen Spannungs- und Klangböden zum aufmerksamen Zuhören auffordert.

Hochkonzentriert begann das Orchester mit dem ersten Satz. Afanassiev, dieser große, kräftige Mann, der am Flügel fast zu verschwinden scheint, folgte leicht und ausdrucksstark. Ganz das Gegenteil im zweiten Satz: Hier herrscht rasches Tempo, lediglich von kurzen Pausen unterbrochen. Auffallend und gekonnt der Einsatz der kräftigen Bläser der Philharmoniker. Gehaltvoll und andante begann das Orchester den dritten Satz. Souverän aber niemals kalt das Spiel von Valery Afanassiev. Die Warschauer wissen warum sie mit diesem Pianisten auftreten: Denn schließlich haben sich unter Kords Regie wirklich gleichwertige Partner gefunden.

Steigernd und lebhaft das Zusammenspiel von Klavier und Orchester im vierten und letzten Satz. Beide scheinen noch einmal richtig zulegen zu wollen, bevor sie sich gemässigt und sehr harmonisch verabschieden.

Dreimal durften Valery Afanassiev und Kazimierz Kord zurück auf die Bühne, um ihren verdienten Applaus entgegen zu nehmen.

Nach der Pause die Sinfonie Nr. 6 (Pastorale) von Ludwig van Beethoven. Beschwingt führt uns das Orchester in die freie Natur. Hervorragend fallen schon gleich zu Anfang Fagott und Querflöte auf. Im zweiten Satz, der Szene am Bach, ein sachtes abwechslungsreiches Spiel zwischen Streichern und Bläsern, mit vereinzelten „Zwischenrufen“ der Bläser.

Die Sätze drei bis fünf, die nahtlos ineinander übergehen, versetzen vom lustig frischen Tanz in einen fulminanten Sturm mit Pauken und Posaunen. Beherzt führt Kord seine Philharmoniker durch diese Naturgewalt, um dann das abschließende Allegretto anzugehen, das, angestimmt durch die Klarinette, zum fortschreitenden ruhigen Ende führt.

Lang anhaltender, verdienter Applaus.

zner

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