piwik no script img

Protest gegen "Spiegel-TV"

■ Intellektuelle wollen "Beruf: Neonazi" nicht im Fernsehen sehen

Frankfurt/Hamburg (dpa/taz) – Mehr als 130 Intellektuelle und Anti-Rassismus-Initiativen haben gemeinsam gegen die Fernsehausstrahlung des Dokumentarfilms „Beruf Neonazi“ am kommenden Samstag bei Vox protestiert. Die von „Spiegel-TV“ geplante Ausstrahlung des Films als „Special“ (mit zehnminütigem redaktionellem Vorspann und anschließender Diskussion) bei dem Kölner Kommerzsender sei nichts fürs Fernsehprogramm.

In dem am Dienstag in Frankfurt veröffentlichten Aufruf heißt es, daß das Medium Fernsehen „keine unmittelbare Auseinandersetzung“ mit dem Film und seinem „Darsteller“, dem Neonazi Ewald Althans, erlaube.

Zu den Unterzeichnern des Aufrufs zählen Politiker, Wissenschaftler, Regisseure, Schauspieler, Schriftsteller und Mediziner. Dabei sind die FDP-Politikerin und Präsidentschaftskandidatin Hildegard Hamm-Brücher, der Sänger und Autor Wolf Biermann, die Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley, der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki und die Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, der den Aufruf ebenfalls unterzeichnete, hat laut „Spiegel-TV“ die Einladung zur anschließenden TV-Diskussion ausgeschlagen.

In der „Spiegel-TV“-Sendung soll am Samstag ab 22.15 Uhr unter dem Titel „Zeigen statt zensieren“ zunächst eine zehnminütige „kritische Auseinandersetzung“ mit neonazistischen Pogromen und Mordanschlägen wie in Rostock und Mölln gezeigt werden. Welche Prominenten im Anschluß an den Film, in dem der Neonazi Ewald Althans Einblick in seine Aktivitäten gibt, an der Diskussion teilnehmen werden, konnte „Spiegel-TV“ am Mittwoch noch nicht mitteilen. Bislang stehe als Teilnehmer nur der Autor des von vier Bundesländern mit 370.000 Mark geförderten Streifens, Winfried Bonengel, fest. Fest stehe auch, so „Spiegel-TV“, daß der Film tatsächlich ausgestrahlt werde. Gerüchte über eine Absetzung dementierte die Fernsehfirma.

Im Dezember war der Film kurz vor der geplanten unkommentierten Kino-Uraufführung in Frankfurt beschlagnahmt worden. Das Amtsgericht sah den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt und verbot ein unkommentiertes Zeigen. KritikerInnen werfen dem Film, in dem Althans unter anderem die Vernichtung von Juden in Auschwitz leugnet, vor, der Strategie des Neonazis aufgesessen zu sein und ihm eine Bühne zu bieten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen