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Lachende MattscheibeNirWahn im Fern-Zen-Garten

■ Radio Bremens neue Esoterik-Talkshow „Menschen-Kunde“

Haaallooo, hört Ihr mich bei Radio Bremen? Haalloo, da oben im Nirwana, hört Ihr mich? Huhuu! Ihr da, in Eurem Zen-Gärtlein, seid Ihr denn noch zu reeetten? Herr Meiser? Hör'n Sie mich? Ja, Sie da, in dem Kimono! Hiilfe, was hocken denn da für Gestalten auf den Futons herum? Herr Meiiiser! Haben Sie keinen Redaktöhör? Vooorsicht! Herr Meiiiser! Da ist ein Rad ab!

Zu spät, die hören nichts. Da hilft nur: ducken, Kopf weg, unsere sieben Zwetschgen zusammenraffen – und rennen, rennen, rennen. Raus aus der Bannmeile des hellen Wahns, genügend Abstand schaffen zu diesem Fern-Zen-Garten der geistigen Verwüstung. Dann: noch ein Blick zurück auf die vier barfüßigen Ölgötzen mit ihrem fernöstlichen Geschwafel und: prustend in den Teppich beißen.

Hans-Christian Meiser hat Fachleute zum Thema „Träumen“ eingeladen, im Rahmen der neuen Radio-Bremen-Reihe „Menschen-Kunde“, und weiß nicht, daß er in Wahrheit der Vorstand einer Jodelschule ist: Frau Margret Gröpke ist eine „Hausfrau“, die nicht mit Meister Proper, sondern „mit Träumen arbeitet“ („das mach ich eben seit zehn Jahren, daß ich mich mit Träumen befasse“). Sie hat also, wie Evelyn Hamann seinerzeit, was Eigenes.

Vielviel mehr Eigenes hat Safi Nidiaye, „Medium und Autorin“: die kann sich nämlich auf Kommando in Trance versetzen, was nur gelingt, wenn man „den physischen Körper ablegt“ und „den Kopf von Gedanken befreit“. Das hat zwar einen stieren Blick zur Folge, läßt jedoch im gedanklichen Bereich keinerlei Unterschied zum Wachzustand der Frau Nidiaye erkennen.

Noch mehr Eigenes allerdings als diese Frauen zusammen hat der EINE und EINZIGE Eugen Drewermann, Verfemter von Beruf, dem keine Fernsehzusammenkunft zu armselig im Geiste wäre, als daß er nicht seinen leidenden Schatten demütig hineinleuchten lassen würde. „Wir haben das Träumen verlernt“, weil „unsere Sprache technisiert ist und wir Symbole nicht mehr verstehen.“

Oh, Drewermann, dein Wort in Gottes Ohr, in mein Ohr aber dringt allein Frau Nidiayes Wort: „Ich channele mich, um Informationen zu kanalisieren aus anderen Bewußtseinsebenen, damit ich in Kommunikation treten kann.“

Und Meiser? Der hat auch was Eigenes. Hat einen Kimono vom Asia-Tee-Import und einen Sieben-Kräuter-Tee gegen schlechte Träume. Den schlürft uns (“köstlich, köstlich“) die Viererbande vor. Und hat am Ende doch noch ein gutes Werk getan: Wer diese Talkshow überstanden hat, den kann kein Alptraum mehr erschrecken.

Sybille Simon-Zülch

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