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Unterm Strich

Noch bevor die Philosophie erfunden wurde, lebte in Frankreich einer ihrer liebenswürdigsten Vertreter: Michel de Montaigne, Bürgermeister und Gutsbesitzer, Ehemann und Freund, Turmbewohner und Reisender, Schreibender und unaufhörlich Denkender; von der sog. Schulphilosophie naturgemäß und notorisch unterschätzt, weil ein Frühverächter jeden Systems, radikaler Phänomenologe und rhetorisches Genie. So kann man heutzutage zugleich locker und gewissenhaft das Fach des Denkdenkens studieren, ohne auf seinen Namen zu stoßen: Allein verstreute Geister und inspirierte RomanistInnen pflegen noch die Lektüre dieses großen toten weißen Mannes. Zu desselben Ehre hat sich zu Berlino eine Gruppe mehr oder minder qualifizierter Personen zusammengefunden, die eine kleine Tagung in der Brotfabrik veranstaltet, deren Eintritt frei sowie Beitritt erwünscht ist. In Kürze das Programm: Samstag, 26.2., ab 11 Uhr: Rüdiger Zill über Reise, Flucht und Beständigkeit bei M.d.M.: Das Ich zwischen innerer Ruhe und äußerer Bewegung; Gerburg Treusch-Dieter über Die Seele im 16. Jahrhundert: Zum Historischen Hintergrund des Skeptizismus; Roman Pohl über Herrn M.s Steinleiden: Wie er mit Witz zu seiner ängstlichen Einbildung spricht, warum er die Behandlung der Ärzte ablehnte, und wie er in der Kolik stoische Selbstbeherrschung demonstriert; Monika Kopuczinsky über Mlle. de Gournay, die postume Herausgeberin der Schriften von M.d.M.; Sabine Vogel: Halbe Bildung ist das Leben. Vom Nutzen der Lektüre; Christa Dericum über Die uneingelösten Forderungen des M., und schließlich (um ca. 18.30 Uhr): Montaigne. Eine Reise in die Dordogne, ein Film von Mathias Greffrath. Das Programm für Sonntag (wieder 11 Uhr Beginn): Wilhelm Schmid über Montaignes Liebe zu den Lüsten, nebst einer Anmerkung zu Montaigne und Heidegger; Steffen Dietzsch über Montaigne und Nietzsche – die Kunst des Lachens; Sibylle Severus: Lesung der Erzählung „Der Tor“ und ein Vortrag über M.s Satz Man gelangt durch verschiedene Mittel zu einerley Absicht: Manesse, Eichborn, Diogenes und ihre Wirkung auf (drei) Söhne. Den Abschluß bildet eine szenische Montaigne-Lesung mit Kurt Böwe et.al.; die Moderation der Veranstaltung hat Mathias Greffrath übernommen. Adresse: Brotfabrik, Prenzlauer Promenade 3, 13086 Berlin.

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