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Plüschgold fürs Kuschelkissen

■ Der schwul-lesbische Filmpreis „Gay Teddy Bear“

Bei Heiner Carow sitzt er möglicherweise auf dem Kaminsims, bei Isaac Julien und Gus van Sant vielleicht neben dem Kopfkissen an der Bettkante. Er ist weder golden noch silbern, sondern aus Plüsch. Trotzdem steht der Knuddelbär der Familie Steiff seit 1991 in der offiziellen Berlinale-Preisliste. Der Gay Teddy Bear hat allerdings schon einige Jährchen mehr auf dem Stoffbuckel. 1987 wurde der schwul-lesbische Filmpreis zum ersten Mal verliehen. Was quasi als Privatinitiative der Panorama-Macher Manfred Salzgeber und Wieland Speck begann, hat sich zu einem wichtigen Preis gemausert. Vor allem in den angelsächsischen Ländern verkörpert das Stofftier mittlerweile Marktwert. Die Verleiher schätzen – im Gegensatz zum großen Bruder – den Bären als zugkräftiges Werbemittel.

Da braucht auch die Verleihung den richtigen Rahmen. Die Teddy- Party am Sonntag im Metropol steckte mit Glamour und Glitter mühelos alle anderen drögen Feierzeremonien der Belinale in die Tasche. Die Bekanntgabe von Derek Jarmans Tod brachte das zuhauf erschienene Amüsiervolk nur für Minuten aus der Fassung. Dann wurde mit Liebe-Sünde-Matthias- Frings als Master of ceremony und hochkarätigem Beiprogramm von Jimmy Sommerville bis Lilo Wanders weitergefeiert.

Die Jury, die sich alljährlich aus den MacherInnen schwul-lesbischer Filmfestivals aus der ganzen Welt zusammensetzt, entschied – wie immer – politisch korrekt. Die Präsenz lesbischer Filme erreichte in diesem Jahr erstmals ein Niveau über dem Feigenblatt, da war die Auszeichnung von „Go Fish“ als bestem Spielfilm fast zwangsläufig. Rose Troche erzählt darin den unspektakulären Alltag vier junger Lesben in Chicago. Coming-Out- Probleme mit den Eltern werden genauso behandelt wie die Schwierigkeit, die richtige Kleidung für das Rendezvous auszusuchen. Troche skizziert den Alltag mit genauem Blick für Kleinigkeiten. Nur selten verläßt die Schwarzweiß-Kamera die Innenräume. So entsteht ein sensibles Bild vom Lesbenleben – unprätentiös humorvoll und mit einer Schwerelosigkeit, die in lesbischen Filmem allzuselten zu finden ist.

Auch der Doku-Teddy war keine Überraschung. Obwohl etwas bieder gemacht, deckt Arthur Dongs „Coming Out Under Fire“ ein wichtiges Stück unaufgearbeiteter Geschichte auf: Die Lebensbedingungen und die Verfolgung von Schwulen und Lesben in der amerikanischen Armee während des Zweiten Weltkriegs. Der Spezialpreis der Jury ging an John Mayburys „Rememberance of Things Fast“, einem knallbunten, aber schwer zugänglichen Videoclip in long-version, das wahre Erlebnisgeschichten zerstückelt und in „falsche“, manchmal arg manirierte Elektronikbilder verpackt. Als bester Kurzfilm wurde „Carmelita Tropicana“ (Ela Troyano) ausgezeichnet, der sich witzig mit Rollenverhalten und innovativen Widerstandsformen New Yorker Latina-Lesben auseinandersetzt. Fast leer ausgegangen wäre der wichtigste schwule Film des Festivals. „Erdbeer und Schokolade“, der kubanische Wettbewerbsbeitrag, erhielt als Trostpflaster immerhin den Publikumsteddy. Gerd Hartmann

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