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■ Goldener Bär für den irischen Film „Im Namen des Vaters“Die Augen auf Nordirland

Ich gratuliere der Berlinale-Jury zu ihrer weisen Entscheidung und dem irischen Regisseur Jim Sheridan und allen Beteiligten am Film „Im Namen des Vaters“ zum Goldenen Bären. Der Film, der in Irland und in den USA bereits Millionen eingespielt hat, prangert britische Fehlurteile gegen vermeintliche irische Terroristen an. Er basiert auf dem Fall der „Guildford Four“, die wegen der Bombenanschläge auf Kneipen in Guildford und Woolwich, bei denen sieben Menschen 1974 starben, zu lebenslanger Haft verurteilt worden waren und erst nach 15 Jahren ihre Unschuld beweisen konnten: Polizei und Justiz hatten Geständnisse erpreßt und gefälscht sowie Entlastungsbeweise unterdrückt. Wie unangenehm dem britischen Establishment dieser Film ist, zeigen die Reaktionen der Boulevardblätter: Schon während der Dreharbeiten wurde der Film als „IRA-Machwerk“ verunglimpft, den Oscar-Preisträgern Emma Thompson und Daniel Day-Lewis bescheinigte man mangelndes Urteilsvermögen. Am Wochenende wollten die Gossenblätter einen Coup landen, indem sie einen alten Fall ausgruben: Der für einen Oscar nominierte Verfasser des Filmskripts, Terry George, war 1975 wegen unerlaubten Waffenbesitzes in Belfast zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden.

Im selben Jahr waren auch die „Guildford Four“ schuldig gesprochen worden. Über deren Fall hätten die britische Regierung, die Justiz und die Boulevardblätter – die erheblich zu der antiirischen Atmosphäre beigetragen hatten, die das Fehlurteil erst ermöglichte – gerne den Mantel des Schweigens gebreitet, doch der Film reißt alte Wunden wieder auf. Er ist genauso demütigend, wie es der medienwirksame Auftritt des Belfaster Sinn-Féin-Präsidenten Gerry Adams vor kurzem in New York war. Um so wichtiger sind die sieben Oscar-Nominierungen und der Goldene Bär, weil sie dem Film und den britischen Justizverbrechen zu einer weltweiten Öffentlichkeit verhelfen. Nur dadurch kann die Kriminalisierungsstrategie vereitelt werden, mit der die britische Regierung die „Guildford Four“ nachträglich doch noch schuldig sprechen will. Die Polizisten, die die Geständnisse aus ihnen herausgeprügelt hatten, wurden im vergangenen Jahr freigesprochen, und Paul Hill – einer der „Guildford Four“ – steht morgen in Belfast vor Gericht, weil man ihm 1975 nicht nur das Geständnis erpreßt hatte, die Bombe von Guildford gelegt, sondern darüber hinaus einen ehemaligen Soldaten in Belfast ermordet zu haben. Regisseur Jim Sheridan will zu Hills Unterstützung morgen an der Demonstration vor der britischen Botschaft in Dublin teilnehmen. Hoffentlich bringt er den Goldenen Bären mit. Ralf Sotscheck, Dublin

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