: Diplomaten sind wieder gefragt
■ Abzug der serbischen Waffen um Sarajevo für ausreichend erklärt / Kämpfe in Bihać und Tuzla
Genf (taz) – Nato, die Vereinten Nationen und zahlreiche Regierungen haben den weitgehenden Abzug schwerer Waffen der Serben aus der 20-Kilometer-Zone um Sarajevo gestern als Erfolg und „ersten Schritt zum Frieden in Bosnien“ bewertet. Über die Anzahl der noch in der Zone verbliebenen und nicht der Unprofor-Kontrolle unterstellten schweren Waffen gab es allerdings widersprüchliche Informationen. In Tuzla, Bihać und anderen Städten verstärkten die serbischen Truppen derweil ihre Angriffe – zum Teil mit aus Sarajevo abgezogenen Artilleriegeschützen. Von verschiedenen Seiten wurden Forderungen laut, durch die Kombination von militärischen Drohungen und intensivierter Diplomatie jetzt auch in diesen beiden Städten sowie anderen Regionen Bosnien- Herzegowinas einen Waffenstillstand zu erzwingen.
Nach Ablauf der von der Nato gesetzten Frist am Montag morgen um ein Uhr hatten der UNO-Sonderbeauftragte für Ex-Jugoslawien, Yasushi Akashi, der Unprofor-Kommandant in Bosnien, General Michael Rose, sowie Nato-Generalsekretär Manfred Wörner den Umfang des Abzuges der schweren Waffen beziehungsweise ihre Unterstellung unter Unprofor- Kontrolle für ausreichend erklärt. Luftangriffe werde es daher zunächst nicht geben. Wörner betonte jedoch, die Drohung mit Luftangriffen gegen schwere Waffen, die wieder in die 20-Kilometer-Zone zurückgebracht oder mit denen Sarajevo – auch von außerhalb dieser Zone – beschossen werde, bliebe aufrechterhalten.
Nach Angaben von Unprofor-Sprecher Aikman hatten die Serben bis gestern 260 schwere Waffen bei der Unprofor abgeliefert, die bosnische Regierungsarmee 45. Den „größeren Teil“ ihrer schweren Waffen hätten die Serben jedoch aus der 20-Kilometer-Zone abgezogen. In früheren Berichten der Unprofor und der Nato war die Zahl der serbischen Artilleriegeschütze, Panzer, Mörser und Haubitzen, die den Belagerungsring gegen Sarajevo ausmachten, mit zwischen 500 und 600 angegeben worden.
BBC-Korrespondent Little berichtete in der Nacht zum Montag, die serbischen Truppen hätten zahlreiche Geschütze in Wohngebieten versteckt. Tatsächlich könne man noch nicht von einer Aufhebung der Belagerung, sondern allerhöchstens von einem vorübergehenden Ende des Beschusses der Stadt sprechen.
Bundeskanzler Helmut Kohl, Außenminister Klaus Kinkel und SPD-Geschäftsführer Günther Verheugen sprachen von einem ersten Erfolg. Jetzt müßten weitere Schritte erfolgen. Frankreichs Außenminister Alain Juppé und der dänische Verteidigungsminister Haeckerung forderten ein ähnliches Vorgehen wie im Fall Sarajevos auch für die anderen vom UNO-Sicherheitsrat zu Sicherheitszonen erklärten Städte Bihać, Tuzla, Srebrenica, Goražde und Vitez. Tuzla und Bihać lagen gestern fast pausenlos unter schwerem Beschuß serbischer Truppen. Nach Beobachtungen der Unprofor setzten die Serben dabei in Tuzla zuvor aus Sarajevo abgezogene Artilleriegeschütze ein.
Sehr viel skeptischer als seine westlichen Kollegen äußerte sich der türkische Außenminister Cetin. Bei einer für Mittwoch in Brüssel angesetzten Sitzung des Nato-Rates wollen die Türkei, die Vereinigten Staaten und die Niederlande darauf dringen, daß die Nato jetzt auch mit Luftangriffsdrohungen verbundene Fristen für das Ende der Belagerung anderer Städte setzt. In Bonn treffen sich heute die politischen Direktoren der Außenministerien Rußlands und der USA mit Vertretern der Vereinten Nationen und der Europäischen Union. Dabei wird es um die Fortsetzung des Verhandlungsprozesses um eine politische Lösung des Bosnienkonfliktes gehen. Andreas Zumach
Korrespondentenbericht aus Sarajevo Seite 8 und Kommentar Seite 10
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