Öchsle im Norden

■ Weinanbau im Hamburger Hinterhof macht Schule

„Eimsbüttler Hinterhöfchen“ oder „Hohenfelder Sonnenberg“ heißen die edlen Tropfen, die im kühlen Hamburg heranreifen. „Der ist bestimmt furchtbar sauer“, meint Claus Greger, Mitglied der Hamburger Wein bruderschaft, etwas ungerecht. Denn seit fast 40 Jahren gedeihen in einem Eimsbüttler Hinterhof fünf Rebstöcke, die rund 150 Liter Wein mit einem Zuckergehalt von immerhin etwa 80 Grad Öchsle erbringen. Der Weinanbau in Hamburg macht jetzt sogar Schule: Auf 200 Quadratmetern, zwischen Sportplatz und Schulgebäude der Hotelfachschule in Hohenfelde, hegen und pflegen Schüler acht Rebsorten an 40 Stöcken. „Unser Wein ist sehr trocken und herb“, sagt Lehrer Jürgen Falke stolz.

Der Blaue Portugieser scheint die lehmigen und sandigen Böden der Hansestadt besonders zu mögen: Sowohl im Weinlehrgarten der Fachschule als auch im Hinterhof von Ursula Lehmitz treiben diese Reben prächtig aus. Fröstelnd haben daher in diesen Tagen die Klein-Winzer die Reben zurückgeschnitten. Der Rebschnitt gehört schließlich im Februar zum Arbeitspensum eines Weinbauern.

„Das wird bestimmt nichts“, kommentierte Ursula Lehmitz damals die Idee ihres Mannes, Wein anzupflanzen. „Als wir dann aber 1977 unseren ersten eigenen Wein probierten, war die Überraschung groß.“ Mittlerweile ist der ganze Hinterhof, samt umliegenden Balkons und Fenstersimsen, von Zweigen überwuchert. „Mein Hof ist schön geschützt, es scheint im Sommer oft den ganzen Tag die Sonne hinein“, erzählt sie. Die Besitzerin einer Weinhandlung keltert ihre Trauben nur für den Hausgebrauch. „Drei bis vier Wochen gärt der Most hier, dann wird er von Gästen getrunken.“

In Hohenfelde betreuen die Schüler unter Anleitung eines Weinbauingeni-eurs immerhin acht verschiedene Rebsorten. Auch der noch etwas spärlich wachsende Ruländer wird interessiert beobachtet: „Ich möchte in einen Weinhandel, da muß ich ja wenigstens Grundkenntnisse über den Anbau mitbringen“, begründet der 27jährige Matthias Storm sein Interesse.

Der vor neun Jahren angelegte Weinlehrgarten hat 1989 erstmals Früchte getragen. Im vergangenen Herbst erbrachten die 40 Stöcke 84 leichte Liter mit einem Zuckergehalt von rund 80 Grad Öchsle. Einen echten Hamburger Riesling, Spätburgunder und Müller-Thurgau gab es da zu verkosten.

Auf dem Weg zum anerkannten Weinanbaugebiet ist das hanseatische Flachland jedoch nicht. Es gibt zu viele schlechte Jahrgänge, weil die Sonne nicht genügend scheint. Claudia Utermann