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■ Bislang ranghöchster CIA-Mann unter SpionageverdachtVor allem brauchen wir uns selbst!

Die erste Reaktion auf die Meldung aus Washington, eine hoher CIA-Mann sei als vermutlicher Doppelagent verhaftet worden, ist pure Häme. Dies wahrscheinlich nicht nur in linken Kreisen, sondern vor allem bei den sogenannten befreundeten Diensten in Pullach, Köln, London und Paris. Alle, alle hatten ihren Topverräter schon gehabt, jetzt endlich ist auch der Große Bruder dran. Nach Jahren der Demütigung, in denen die Geheimdienstler in Bonn und London sich vorhalten lassen mußten, sie wären nicht in der Lage, ihren Stall sauberzuhalten, stehen die arroganten Weltmachtpfadfinder nun selber als die Deppen da. Wie der deutsche Überläufer Hansjoachim Tiedge war CIA-Mann Ames zeitweilig Chef der Sowjetunionabteilung und in dieser Funktion federführend für alle in der UdSSR eingesetzten US- Spione. So weit, so gut, schließlich gehört es zum Wesen eines Geheimdienstes, daß er seine eigenen Verräter produziert. Warum sollte es den US- Amerikanern da anders ergehen als Briten, Franzosen Deutschen und allen anderen, die an diesem unterhaltsamen, wenngleich teuren Gesellschaftsspiel teilnehmen.

Interessant wird der Fall erst vor dem Hintergrund der Umwälzungen beim „Gegner“. Ein Weltreich zerbricht, aber die Strukturen der Geheimdienste überstehen offenbar alle Erschütterungen relativ unbeschadet. Niemand in den USA und damit auch in Westeuropa kann ernsthaft überrascht sein, daß auch der russische Geheimdienst nach wie vor versucht, auch bei den neuen Freunden fündig zu werden. Der Chef des russischen Auslandsgeheimdienstes, Primakow, hat angesichts der Haushaltskürzungen, die auch um seinen Dienst keinen Bogen machten, dieser Aufgabe sogar Priorität gegeben: seine Leute sollen sich auf die wichtigen westlichen Länder, und dort vornehmlich auf den Bereich Technologie und Wissenschaft, konzentrieren. Überraschend ist vielmehr, daß es den russischen Geheimen gelang, eine Topquelle wie Ames, trotz der Auflösung der UdSSR, trotz ständiger Wechsel an der Spitze des KGB, trotz mißlungenem Putsch in Moskau und massenhaften Überläufern und Aktentransfers aus dem ehemaligen Warschauer Pakt nach Langley und Washington, so lange an der Leine zu halten.

Doch wem hat diese sicher enorme Anstrengung, diese geheimdienstliche Meisterleistung genutzt? Die supergeheimen Mitteilungen aus dem „Herz der Bestie“ fanden in der untergehenden Sowjetunion wohl kaum noch einen Abnehmer, der eine Apparat konnte sich ganz auf den anderen Apparat konzentrieren – völlig losgelöst von lästigen politischen oder sonstigen Nützlichkeitserwägungen. Selten hat ein Fall so deutlich gezeigt, was Geheimdienste vor allem sind: autistische Apparate, die in allererster Linie sich selbst dienen und offenbar um so besser funktionieren, je perfekter die Abschottung von der realen Welt ist. Darüber hinaus leben sie von einem Irrglauben, der selbst in Ländern nicht auszurotten ist, in denen die Realität gerade das Gegenteil bewiesen hat. Noch jede Herrschaftsform glaubt, ein Geheimdienst könne den Bestand des Systems garantieren – selbst Jelzin will auf diesen Irrtum nicht verzichten. Jürgen Gottschlich

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