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Neue Ziele für die Zeit nach Kohl

Auf dem CDU-Parteitag diskutierten die Delegierten heftig um das neue Grundsatzprogramm / Geschlossenheit in der Unterstützung des Spitzenkandidaten war nie gefährdet  ■ Aus Hamburg Hans Monath

Helmut, Helmut und Helmut. Mit diesen drei lautstark skandierten aktuellen Botschaften geht die CDU nach dem Ende des Hamburger Parteitags ins Superwahljahr 1994. Mit einem Aufruf zu mehr Optimismus hat Spitzenkandidat Helmut Kohl gestern die Delegierten nach Hause und damit in die bevorstehenden Wahlkämpfe geschickt.

Der drohende Machtverlust und der Druck der nahen Landtagswahl in Niedersachsen waren auch während der Diskussion über das neue Grundsatzprogramm der CDU zu spüren, die sich am Dienstag bis Mitternacht hingezogen hatte. Gestern morgen verabschiedete der Parteitag dann fast einstimmig das Programm, mit dem vor allem in der Familienpolitik neue Akzente gesetzt werden sollen. Wenigstens zum Abschluß bekamen die Delegierten im Hamburger Kongreßzentrum jene blühenden Landschaften zu sehen, die Kohl den Wählern im Osten immer versprochen hatte. Während die CDU-Mitglieder zusammenpackten, flimmerten über den Bildschirm am Rand des Podiums Dias von grünen Feldern, lachenden Menschen, blitzblanker Technik sowie bedeutenden Regierungschefs im Gespräch mit dem amtierenden Bundeskanzler.

Die Partei sei fest entschlossen, um jede Stimme zu kämpfen, versprach Helmut Kohl im Schlußwort – und tatsächlich hatte niemand in den drei Tagen öffentlich die Zugkraft des Spitzenkandidaten in Zweifel gezogen. Dabei müssen die CDU-Mitglieder momentan „Gegenwind“ aushalten – ein Begriff, der in Hamburg sehr oft gebraucht wurde. So zog sich der Aufruf zu mehr Optimismus, zur Bekämpfung der „Miesmacherei“ wie ein roter Faden durch die drei Tage dauernde Veranstaltung. Die Deutschen hätten allen Grund, zufrieden zu sein und jene Partei wiederzuwählen, die ihnen Wohlstand gebracht habe, hieß die Botschaft, mit der sich der Vorsitzende, der Generalsekretär und der Fraktionschef an die Delegierten wandten.

Daß der momentan so hoch gehandelte Gegner SPD schwer zu fassen ist, beklagte vor allem Fraktionschef Wolfgang Schäuble. Den Sozialdemokraten gehe es gar nicht darum, eine klare Alternative aufzuzeigen. Vielmehr versuche SPD-Chef Scharping „sich jeder Festlegung zu entziehen wie ein Entfesselungskünstler“, sagte Schäuble. Gleichzeitig verhindere die SPD durch ihre „Blockadepolitik“ im Bundesrat notwendige Reformen wie die Pflegeversicherung und fördere so die Politikverdrossenheit. Tatsächlich gebe es „fundamentale Unterschiede“ zwischen den beiden Volksparteien, etwa in der Außenpolitik.

Mit 3.500 Anträgen zu dem in zweijährigem Diskussionsprozeß ausgearbeiteten Entwurf für das Grundsatzprogramm lag dem Parteitag viel Stoff für Auseinandersetzungen vor, und den nutzten die Delegierten auch. Der heftigste Streit entbrannte erwartungsgemäß über das künftige Modell für die Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. Der CDU-Spitzenkandidat in Niedersachsen, Christian Wulff, der als reformbereiter Nachwuchspolitiker gilt, mußte sich Buhrufe anhören, als er für das neue Ziel „Ökologische und Soziale Marktwirtschaft“ plädierte. Der Streit um die Begriffe trennte die Delegierten entlang der Generationengrenze. – Gegen den Widerstand der Sozialausschüsse und der Wirtschaftsverbände sprach sich eine knappe Mehrheit für die Aufnahme des Ökologiebegriffes aus. Das Wirtschaftsprogramm fordert unter anderem den Abbau von Bürokratie und Subventionen sowie die Beteiligung breiter Volksschichten am Produktivkapital. Den Standort Deutschland will das Programm stärken, indem es die Senkung von Steuern und Abgaben sowie die Förderung von Zukunftstechnologie empfiehlt.

Die bundesstaatliche Gestaltung der Europäischen Union als Ziel fand am späten Dienstagabend eine große Mehrheit. Der Bundesvorstand hatte erst vergangene Woche den ursprünglichen Entwurf des Programms deutlicher gefaßt. Die europäischen Nationalstaaten werden sich nach dem Willen der CDU aber nicht auflösen.

Von der Parteitagsregie nicht eingeplant war die heftige Auseinandersetzung über die Einführung der allgemeinen Dienstpflicht; die Junge Union und der Landesverband Baden-Württemberg, die den Antrag einbrachten, mußten eine Niederlage hinnehmen.

Daß die CDU bemüht ist, das Gewicht Kohls als verläßlichen Staatsmanns und Außenpolitikers zu betonen, wurde deutlich an der Häufigkeit, mit der in Hamburg Weisheiten von Bismarck zitiert wurden. Auch Finanzminister Theo Waigel (CSU) stellte am letzten Tag Kohl in eine Reihe mit dem Eisernen Kanzler. Zweimal, so sagte er, seien in der deutschen Geschichte Kanzler zu früh abgetreten – Bismarck und Adenauer: Mit Kohl, so die Botschaft, dürfe das nicht passieren.

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