: Streichorgie: Der Uni geht es an den Kragen
■ Zehn bis 15 Prozent weniger Studienplätze noch in diesem Jahr
Wissenschaftssenator Leonhard Hajen ließ gestern eine Bombe platzen: Zum nächsten Wintersemester soll in einem „ersten Schritt“ die Zahl der Studienanfänger an der Uni um zehn bis 15 Prozent gesenkt werden. Das sind rund 1000 Plätze.
„Wir sind dabei, mit der Uni zu bilanzieren, wann welche Professorenstelle frei wird“, sagte Hajen. Damit die Streichung schon bei der Berechnung der Zulassungskapazität berücksichtigt werden kann, soll die Entscheidung über das „Wo“ bis Mitte Mai gefällt werden. Sollte die Universität nicht kooperativ sein, werde die Wissenschaftsbehörde Stellen dort kassieren, wo sie es für richtig hält.
Die Sparankündigung ist ein Vorgriff auf die Horror-Haushaltsjahre 1995 bis 97. Während sich die Wissenschaftsbehörde bei der Umsetzung der Sparquote von 8,9 Million Mark im Jahr 94 bemüht habe, die Hochschulen zu schonen, ginge es zukünftig ohne Kapazitätseinbußen nicht weiter. Allerdings will Hajen die Fachhochschule zum „Schonbereich“ erklären und die TU Harburg auf Kosten der Universität weiter ausbauen.
Auf exakte Zahlen mochte sich der SPD-Politiker gestern nicht festlegen. Hajen: „Wir rollen das Problem vom Geld her auf. Fest steht, daß wir mindestens dreimal soviel sparen müssen wie 94“. Aus rechtlichen Gründen können Studienplätze nur auf dem Weg der Nichtwiederbesetzung von Professorenstellen gestrichen werden. Zudem sind Studienplätze je nach Fachbereich unterschiedlich teuer. Ein Platz in einem der Massenfächer Jura oder Wirtschaftswissenschaft (Wiwi) kostet 4400 Mark, in den Naturwissenschaften und der Medizin das Vier- bis Achtfache.
Hajen will aber nicht die teuren Plätze abbauen: „Wir müssen uns überlegen, wo wollen wir richtig gut sein. Klimaforschung und Neurobiologie zum Beispiel“. Statt der Nachfrage durch die Studierenden – sie bevorzugen Psychologie, Jura und Wiwi – will Hajen die „Defizite der Region“ zum Kriterium machen. Und diese lägen besonders bei der Ingenieurausbildung.
Vieles deutet darauf hin, daß der Senator den mit 6000 Studierenden größten Fachbereich, die Wirtschaftswissenschaften, im Visier hat. Dort seit längerem unbesetzte Professorenstellen seien „äußerst streichverdächtig“. Es sei aber auch denkbar, daß das Fächerspektrum kleiner wird: „Möglicherweise muß man sagen, Norwegisch kann man in Hamburg nicht mehr studieren.“
Das Problem der Stellenbewirtschaftung ist die Uni trotzdem nicht los. „Wir haben eine überproportionale Vakanzrate, davon müssen wir runter“, sagte Hajen. Wie weit, das müsse mit dem Finanzsenator verhandelt werden. kaj
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