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Künstliche Stabilität

■ Zivile Preise und stabiler Wechsel- kurs nur durch UNO-Präsenz im Lande

In Somalia gibt es keinen Finanzminister und keine Zentralbank. Dafür gibt es etwas, was sich viele Regierungen unterentwickelter Länder wünschen: einen relativ stabilen Wechselkurs. Etwa 4.000 somalische Schilling werden für einen Dollar bezahlt, landesweit. Niemand weiß oder verrät, warum das System funktioniert. Fest steht nur: Im benachbarten Kenia, das noch immer als eines der stabileren Länder in Afrika gilt, hat der Währungsverfall in den letzten Jahren mehrere hundert Prozent betragen. In Somalia waren selbst auf dem Höhepunkt des Bürgerkrieges und der Flüchtlingswelle nie mehr als 7.000 Schilling für einen Dollar zu bekommen.

Allein Unosom tauscht alle zwei Tage 100.000 Dollar in Schilling um, unter anderem um Löhne zu bezahlen. 1.400 Somalier sind – etwa als Dolmetscher – direkt bei Unosom beschäftigt. Insgesamt, so wird geschätzt, beschäftigen die ausländischen Organisationen in Mogadischu mehr als 20.000 Somalier. Der Mindestlohn der UNO liegt bei 180 Dollar im Monat, ein Wächter bringt es auf 320 Dollar. Zu Zeiten Siad Barres konnte sich eine Krankenschwester mit einem Monatslohn gerade mal ein Kilo Hammelfleisch leisten. Heute kostet ein Kilo Zucker in der Hauptstadt umgerechnet etwa 90 Pfennig, Mais 70 Pfennig, Mehl ungefähr dasselbe. In Kenia, wo ein Nachtwächter oft weniger als 50 Mark im Monat verdient, liegen die meisten Preise um durchschnittlich zehn Prozent höher.

Ein Grund für die günstigen Einkaufsmöglichkeiten: Das Welternährungsprogramm verkauft Grundnahrungsmittel an Großhändler zu niedrigen Preisen, um das Monopol somalischer Importeure zu brechen. Außerdem sind allein in Mogadischu 70.000 Männer und Frauen in kleinen Werkstätten, im medizinischen Bereich oder beim Aufbau von Schulen und der Reparatur sanitärer Anlagen in „food for work“-Programmen beschäftigt. Sie erhalten Lebensmittel im Wert von rund 60 Dollar im Monat, die sie zum Teil auf dem Markt anbieten, um Kleidung oder Petroleum zu kaufen.

Jedes Gehalt ernährt eine Großfamilie. Der Umlauf des Geldes hat somalische Geschäftsleute zu Importen ermutigt: Zwischen März und Dezember 1993 sind im zuvor geschlossenen Hafen von Mogadischu 144.000 Tonnen kommerzielle Fracht gelöscht worden. Aber das freundliche Wirtschaftsklima ist künstlich. Unosom hat fast ausschließlich Arbeitsplätze geschaffen, die der eigenen Logistik dienen. Nach wie vor wird im Land so gut wie nichts produziert. Zögen die ausländischen Truppen heute ab, gäbe es immer noch keine Verdienstmöglichkeiten für die meisten Somalier.

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