: Kaffee und Schnaps statt Schüssen und Tod
Im zwischen Kroaten und bosnischer Armee geteilten Mostar herrscht seit gestern eine Waffenruhe / Optimismus über die geplante bosnisch-kroatische Konföderation ■ Aus West-Mostar Erich Rathfelder
„Wir treten in eine neue Phase ein und werden alles tun, damit der Waffenstillstand mit der muslimischen Seite hält“, erklärt Jadranko Prlić. Schon in den letzten Tagen habe es nur noch kleinere Zwischenfälle gegeben, seit Dienstag seien nur noch drei Artilleriegranaten von dem kroatisch besetzten West-Mostar auf den in muslimischer Hand befindlichen Ostteil der Stadt abgefeuert worden. Jetzt komme es darauf an, die bestehenden politischen Probleme zu lösen, so der „Ministerpräsident“ der selbsternannten „Kroatischen Republik Herceg-Bosna“.
Schon vor dem offiziellen Beginn der Waffenruhe gestern um 12 Uhr mittags dokumentierten große Teile der Bevölkerung ihr Vertrauen in das Abkommen. In den Straßencafés des kroatischen Westteils der Stadt genossen viele die ersten warmen Sonnenstrahlen. „Nach diesem harten Winter brauchen selbst die hartgesottensten Kämpfer eine Pause. In vierzehn Tagen sehen wir weiter, dann wird vielleicht wieder gekämpft“, frotzelt einer bei Kaffee und Schnaps.
Jadranko Prlić dagegen glaubt an ein endgültiges Ende des Krieges zwischen Muslimen und Kroaten nicht nur in Mostar, sondern in ganz Bosnien-Herzegowina. „Zuerst einmal wird die schwere Artillerie zurückgezogen, gleichzeitg wird weiter verhandelt und versucht, eine Struktur für die Föderation von Muslimen und Kroaten in Bosnien zu finden. Garantiert werden soll, daß alle Vertriebenen in ihre Heimat und ihre angestammten Häuser zurückkehren können.“ Nur durch den internationalen Druck sei das Abkommen möglich geworden, das zwischen dem kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman und seinem bosnischen Pendant Alija Izetbegović sowie den Ministerpräsidenten beider Staaten ausgehandelt worden war. „Der Druck“, so Unterhändler Prlić, „muß auf alle Seiten aufrechterhalten bleiben.“
Ausdrücklich gab der „Ministerpräsident“ auch seine Bereitschaft zu erkennen, das Abkommen international überwachen zu lassen. „Die Polizei von Herceg- Bosna und die unkontrollierten Gruppen, die sich Gewalttaten zuschulden haben kommen lassen, werden zur Rechenschaft gezogen werden“, erklärte er weiter. Alle Gefangenenlager würden nun aufgelöst, so wie dies mit Dretelj und Gabela schon geschehen ist.
Allerdings solle der Staat Herceg-Bosna nicht völlig verschwinden, sondern eine eigenständige Existenz innerhalb einer Föderation mit Rest-Bosnien haben. Weder sei daran gedacht, die Armee einem gemeinsamen Oberkommando zu unterstellen, noch solle eine gemeinsame Verwaltung gegründet werden. „Durch die Konföderation dieser bosnischen Föderation mit Kroatien jedoch könnten viele Probleme gelöst werden, so zum Beispiel durch eine Zollunion.“ Allerdings sei weiterhin umstritten, wie die Grenzen inerhalb der künftigen bosnischen Föderation zu verlaufen haben.
In der Mostar nahe gelegenen und unter dem ehemaligen Führer der westherzegowinischen Kroaten, Mate Boban, als Hauptstadt Herceg-Bosnas fungierenden Kleinstadt Grude beurteilt die Bevölkerung das neue Abkommen skeptischer. „In Mostar könnte ein Waffenstillstand möglicherweise halten, weil dort beide Armeen von der Spitze her kontrolliert werden“, gab ein Verwaltungsbeamter zu bedenken, „an den anderen Fronten in Zentralbosnien jedoch ist die Lage dermaßen verworren, daß ich an eine Umsetzung nicht zu glauben vermag.“
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