: Der Streik zum Wahlkampf?
■ IG-Metall-Verhandlungsführer Jürgen Peters zum Streikbeginn
taz: In den Metalltarifverhandlungen waren bisher immer die süddeutschen Bezirke Vorreiter, warum diesmal Niedersachsen?
Jürgen Peters: Diese Entscheidung für ein kleineres Tarifgebiet zeigt, daß wir keinen Großkonflikt wollen, sondern weiterhin Interesse an einer Verhandlungslösung haben. Außerdem wollen wir in diesem uns aufgezwungenen Arbeitskampf auf keinen Fall den Arbeitgebern die Aussperrung erleichtern. Da ist ein kleineres Tarifgebiet wie Niedersachsen ideal – vorausgesetzt, die Arbeitgeber wollen nicht auch noch die Reste der gesetzlichen Basis überfahren. Eine hier und da angedeutete Angriffsaussperrung in anderen Tarifgebieten würde allerdings die letzten Hürden gegen Arbeitgeberwillkür beseitigen.
Aber der Streik beginnt doch nicht zufällig eine Woche vor der Landtagswahl?
Wir können uns den Zeitpunkt von Tarifverhandlungen, des Endes der Friedenspflicht nicht aussuchen. Hier bestimmen die Arbeitgeber zumindest zur Hälfte die Terminlage. Die Landtagswahl hat bei unserer Entscheidung keine Rolle gespielt. So etwas könnte unsere Mitgliedschaft auch nicht nachvollziehen.
Die CDU hat Gerhard Schröder vorgeworfen, sich den Streik nach Niedersachsen geholt zu haben, um dann als Schlichter schnell noch Punkte in der Wählergunst machen zu können.
Vom Feuer des Streiks hat der CDU-Spitzenkandidat schwadroniert, das Schröder erst nach Niedersachsen hole, um es dann auszutreten. Solche gewundenen abenteuerlichen Gedankengänge sind schlechterdings nicht nachvollziehbar. Da müßte ja der Arbeitskampf schon nach wenigen Tagen erfolgreich abgeschlossen sein, was wir sicher wollen, was ich momentan aber keineswegs sehe. Gerhard Schröder hat sich, wie es seine Pflicht als Ministerpräsident ist, über die Konfliktlage informiert und hat sehr vorsichtig angeboten, möglicherweise den Briefträger zu spielen. Es wäre auch töricht von ihm, in der jetzigen Situation Erwartungen an einen staatlichen Vermittler zu wecken und könnte überdies als Eingriff in die Tarifautonomie mißverstanden werden.
Sie haben auch die Verhandlungen mit VW über die 4-Tage- Woche geführt.
Vorziehen der 35-Stunden-Woche, Auskaufen von Arbeitszeit, ein erheblicher eigener Beitrag von VW und 2 Jahre Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen waren die wichtigsten Elemente dieses Abschlusses, und ich hoffe sehr, daß sich die Arbeitgeber diesen Abschluß genau ansehen und mithelfen, Beschäftigung zu sichern. Die Arbeitgeber haben zwar mal die Bereitschaft zu weiterer Arbeitszeitverkürzung signalisiert, wollen aber betriebsbedingte Kündigungen nicht verbindlich ausschließen. Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung haben aber nur Sinn, wenn die Arbeitnehmer absolut sicher sein können, daß bestimmte Opfer am Ende nicht umsonst sind. Die Arbeitgeber wollen aber immer noch über mehrere Kanäle zurück zur 40-Stunden- Woche, und das würde alles Vorgenannte gegenstandslos machen. Interview: Jürgen Voges
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