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Theater im Schatten des Krieges

■ Gastspiel im TiK: „Amfiteatar Sarajevo im Exil“ mit „3“

Am Anfang fragt ein kleines Mädchen Kinderfragen. Eine Frau antwortet darauf, indem sie Geschichten erzählt. Es sind private Geschichten, von den Großeltern, den Eltern und dem Leben auf einem Bauernhof. Und allmählich beginnt ein Wort aus dem assoziativen Redefluß herauszuleuchten: das Wort „damals“. Wovon sie erzählt, gibt es nicht mehr.

Für die Schriftstellerin und Theaterregisseurin Kaca Celan haben diese zwei Silben eine enorme Bedeutung: „Damals“, das steht für das Leben in ihrer bosnischen Heimat – für das Leben vor dem Krieg. „Damals“, da war Kaca Celan Leiterin eines Theaters in Sarajevo. Jetzt, auf der Flucht in Deutschland, hat sie es unter schwierigen Bedingungen als Amfiteatar Sarajevo im Exil neugegründet. Am Freitag gastierte sie mit ihrem Theaterprojekt 3 im TiK.

Auf schwarzer, leerer Bühne irren zwei Frauen und ein Kind in langen Mänteln umher. Schäbige Koffer weisen sie als Flüchtlinge aus. Offensichtlich haben sie große Mühe, ihren deutschen Text zu sprechen. Was kein Wunder ist: Alle Schauspielerinnen stammen aus dem ehemaligen Jugoslawien. So stellt sich auf höchst einsichtige Weise eine Identität des Spiels mit der Realität her: Die realen Schwierigkeiten, mit einer fremden Sprache umgehen zu müssen, werden anhand von Figuren gespiegelt, die sich in die Sätze, die sie sagen, noch hineinhören müssen.

Fremdheit, Unsicherheit, Ratlosigkeit – diesen Eindruck vermittelt der ganze Abend. Ihren eigenen Text Saubere Hände, Becketts Tritte und Handkes Kaspar hat Kaca Celan zu einem Triptychon zusammengefaßt und in scheinbar unverbundenen Szenen inszeniert, die gelegentlich wie überbelichtet wirken. Als wolle sie die Bedeutung dem Zuschauer ins Gesicht schreien. Für Subtilitäten ließen die Nachrichten aus der Heimat ihr vielleicht nicht den Raum.

Zugleich aber sind die Szenen stets konkret. Anstatt den Krieg ins Zentrum zu stellen, umkreisen sie auf eine gleichsam unkünstlerische Weise seine Auswirkungen: den Verlust der gewohnten Lebensumstände und der eigenen Sprache, Vertreibung und Flucht, die Suche nach neuer Identität in der Fremde.

Die Wahrhaftigkeit und die Würde des Abends macht aber etwas anderes aus. Jede Bewegung, jede Geste ist stets wie vom Krieg überschattet. Kaca Celan hat sich nicht nur geweigert, kulinarisches Theater zu bieten. Sie hat darüber hinaus ihre Theatersprache aufs äußerste reduziert. Als müsse sie angesichts des alltäglichen Schreckens ihr Theaterspiel von Grund auf neu erfinden.

Dirk Knipphals

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