: Kampf der Privaten um TV-Frequenzen
■ Bremer Medienpolitik: Nachrichten rein, Soap-Operas raus - wer darf über Antenne senden?
Nieder mit der Soap-Opera, es leben die Nachrichten – die Bremische Landesmedienanstalt beginnt mit der Erziehung des Fernsehvolkes. Wenn auch die öffentliche Hand kaum mehr bestimmt, was täglich über den Bildschirm flimmert – das Land Bremen hat etwas, das alle Medienmogule gerne hätten: Zwei freie terrestrische Frequenzen und damit die Entscheidungsgewalt, wer in Bremen sein Fernsehprogramm über Antenne ausstrahlen darf. Und hinter den Kulissen tobt das Millionenspiel um Einschaltquoten, Empfangspotentiale und Werbeeinnahmen, also um das Überleben der Privatsender. Die Nase vorn hat derzeit ein Sender, der vom Programm her mit Millionenspielen nun nichts zu tun hat: der Berliner Nachrichtensender n-tv, der seit gestern in Bremen und Bremerhaven auch über Antenne ausgestrahlt wird.
Dran glauben mußte letztlich Pro 7, das seinen Sendeplatz ab 20 Uhr – also in der werberelevanten Zeit – an RTL 2 abtreten muß, das wiederum seine Frequenz für n-tv geräumt hat. Also: Sie gehören zu den 40 Prozent nicht verkabelten Haushalten in Bremen und wollten gestern Meryl Streep auf Pro 7 sehen? Dumm gelaufen, denn auf dem gewohnten Sendeplatz griff RTL 2 nach den Sternen, und auf dessen Kanal 58 (in Bremerhaven 57) sendete n-tv Nachrichten und Informationen rund um die Uhr.
Das Medienkarussell in Bremen kreist: Zuerst verschwand das Deutsche Sportfernsehen wegen Lizenzverlust aus der Palette der acht über Antenne zu empfangenden Sender – damit ist Bremen gemeinsam mit München bundesweit übrigens Spitze. Dafür tauchte der Kölner Privatsender vox auf. Mitte Dezember fusionierten die öffentlich-rechtlichen Sender 3sat und 1Plus – und stellten die Ausstrahlung über Antenne aus Kostengründen ein. Auch das Zwischenspiel des französisch-deutschen Kultursenders arte, ebenfalls öffentlich-rechtlich bezahlt, fand aus Kostengründen ein Ende. Auf einen Schlag wurden damit in Bremen zwei terrestrische Frequenzen frei, um die sich die privaten Anbieter n-tv, Pro 7 und RTL 2 nun schlagen. Denn auch die jetzige Regelung wird nur bis Ende Juni gelten - bis dahin sollen die Frequenzen in einem ordentlichen Lizenzverfahren vergeben werden.
„Terrestrische Frequenzen sind für die Privaten Bargeld, aber Mangelware“, so der Direktor der Bremer Landesmedienanstalt, Wolfgang Schneider. Im Land Bremen über Antenne zu senden, bedeutet für den Betreiber einen Zuwachs von einem Prozent aller FernsehzuschauerInnen – für einen Sender mit einem Umsatz von einer Milliarde Mark wäre das ein Gewinn von immerhin 10 Millionen Mark. Wer den Zuschlag bekommt, wird der Bremer Landesrundfunkausschuß entscheiden, ein paritätisch besetztes Gremium.
Und bis zur Lizenzvergabe darf das kleine Bremen jetzt einmal so richtig Medienpolitik betreiben, ohne seine Entscheidungen juristisch anfechtbar zu machen. Im Gegensatz zu Hamburg und Schleswig-Holstein, wo ein Jahr lang in ähnlicher Situation nur ein schwarzes Bild gesendet wurde, laufen seit Dezember sogenannte „Betriebsversuche“. „Die Entscheidung, wer da wo sendet, ist in der Tat eine gewisse Form von Auswürfeln“, gibt der Chef der Landesmedienanstalt zu. n-tv sei nach Pro 7 und RTL 2, die in den ersten Monaten senden durften, einfach an der Reihe gewesen. Doch daß für das attraktivere Abendprogramm RTL 2 den Vorzug vor Pro 7 bekommen hat, ist wohl eher als Denkzettel gemeint.
„Pro 7 macht es den Landesmedienanstalten schwer, die Verflechtungen ihrer Gesellschafter mit dem Kirch-Imperium zu prüfen und konterkariert die Aufsichtsfunktion dieses Gremiums“, sagt Christiane Bodammer-Gausepohl, die für die Grünen im Landesrundfunkausschuß sitzt. Zudem sendete Pro 7 zuletzt verbotenerweise Werbung im Kinderprogramm – mit der frechen Begründung, das Kinderprogramm sei doch eigentlich ein Familienprogramm. Sollte dieses schlechte Benehmen Einfluß auf die Frequenzvergabe nehmen, so wäre die Rache Bremens bitter.
Susanne Kaiser
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