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Zurück an den Bankschalter

■ HSV-Vertragsamateur Oliver Müller ist nun ernüchtert

Oliver Möller will sich nicht beklagen, es geht ihm ja wieder gut. Und das ist das wichtigste nach dem schrecklichsten Erlebnis seines Lebens, das vor sieben Wochen beinahe zuende gewesen wäre. „Bei manchen Bewegungen tut es noch etwas weh. Aber die Wunde ist verheilt und ich werde nicht von Alpträumen verfolgt“, sagt der 25jährige HSV-Vertragsamateur. In seiner Fußballer-Laufbahn wird das Messer-Attentat einer taubstummen Frau am 12. Januar in der Schleyerhalle wahrscheinlich das einzige Ereignis bleiben, durch das er einen größeren Bekanntheitsgrad erreicht hat. Möller, der als auf der Tribüne sitzendes zufälliges Opfer an Lungenlappen, Leber und Zwerchfell verletzt wurde, sammelte in der Folgezeit fast nur ernüchternde Erfahrungen in einer Leistungsgesellschaft, in der der Mensch kaum noch zählt.

Der 1,92 Meter große Abwehrspieler muß die Hoffnungen auf eine Profikarriere wohl aufstecken. Kaum, daß er wieder auf den Beinen war, hat ihm Manager Heribert Bruchhagen – pflichtbewußt und gnadenlos – aus sportlichen Gründen seine Ausmusterung aus dem Bundesliga-Kader zum Saisonende mitgeteilt. „Damit habe ich nicht gerechnet. Aber so ist das Geschäft“, meint Möller.

Er sucht nicht beim HSV oder seinem Unglück die Schuld. „Ich muß mir schon überlegen, ob der Profi-Fußball so erstrebenswert ist. Wahrscheinlich gehe ich in meinen alten Beruf zurück“, sagt er. Bis zu seinem Wechsel vom SV Lurup zum HSV vor zwei Jahren hat er als Bankkaufmann gearbeitet.

Möller will sich nicht beklagen, es geht ihm ja wieder gut. Und seine Familie, seine Lebensgefährtin Cornelia Groth und sein sieben Monate alter Sohn Tim sind ihm ein fester Halt. Doch zu den Enttäuschungen gehört auch das Verhalten seiner Vorgesetzten und Kollegen. Präsident Ronald Wulff schrieb ihm einen Brief. Von sich hören ließ sonst kaum einer. „Vor allem von meinem Trainer Felix Magath hätte ich erwartet, daß er sich mal meldet“, so Möller.

Von den Medien hätte er sich dagegen etwas mehr Zurückhaltung gewünscht. Von einem von Gottschalks Night Show bei RTL massiv geforderten Auftritt fühlte er sich bereits zwei Tage nach der Bluttat unter Druck gesetzt. Fernsehgastspiele lehnte er generell ab: „Die waren nicht an mir, sondern nur an der Story interessiert.“

In Gedanken kehrt Möller oft zur psychisch kranken Täterin zurück. „Ich kann sie nicht hassen. Ich kann sie nur bedauern und hoffen, daß sie sich wieder findet.“ Die 28jährige Frau ist in einer psychiatrischen Klinik. Ihr droht eine Anklage wegen versuchten Mordes, die Schuldfähigkeit ist jedoch noch nicht geklärt.

Bernd Müller(dpa)

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