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„Wohin mit den Transparenten ?“

■ Vorbehalte der St. Pauli-Fans gegen eine zaunlose Gestaltung des Wilhelm-Koch-Stadions

Als vor gut einem Jahr außer Kontrolle geratene HSV-“Anhänger“ beim Lokalderby gegen den FC St. Pauli fast die Zäune der Südkurve am Millerntor eingerissen hätten, muß Christian Hinzpeter, dem Vize-Präsidenten des Kiez-Clubs, wohl eine Idee gekommen sein: Warum schaffen wir die Zäune nicht gleich ganz ab?

Zumindest ist dies eine Idee, die der designierte „Stammhalter“ von Präsident Heinz „Papi“ Weisener in Zusammenarbeit mit dem DFB schon zur neuen Saison umsetzen will. Geht es nach dem Willen der grauen Herren in Frankfurt - die natürlich jegliche Verantwortung ablehnen - sollen St. Pauli und der 1. FC Kaiserslautern Vorreiter spielen. Der VfL Bochum, Bayern München, Eintracht Frankfurt und Borussia Dortmund haben ebenfalls Interesse angemeldet, die Fans nicht mehr hinter Gitter zu stellen.

Doch was in England klappt - weil dort die „Bobbys“ bei jeder kleinsten Gelegenheit unmenschlich dazwischenschlagen - muß ja nicht gleich in jedes Bundesligastadion projiziert werden. Das ist zumindest der Tenor der 60 Fanklub-Mitglieder, mit denen sich Hinzpeter am Donnerstag abend bei einer Diskussionsveranstaltung im Haus des Sports an einen Tisch setzte.

„Das geht nur, wenn überall die Zäune verschwinden“, war die einhellige Meinung, denn sonst bestünde die Gefahr, daß es nach einem Spiel gegen Rostock oder gegen Hertha BSC sofort Stadionverbot gibt. Schließlich könnten ja auch gezielt Provokateure eingesetzt werden.

Auch Jürgen Schmücker vom Ordnungsdienst BEKOS erkannte: „Es gibt ein gesellschaftliches Problem. Bevor das nicht halbwegs gelöst ist, sehe ich keine Chance für eine völlige Aufgabe der Zäune.“

Schließlich geht es auch um die Sicherheit von Spielern und Schiedsrichtern. Bernd Hollerbach, Außenlinien-Flitzer des FC St. Pauli, hat einfach Angst: „Gerade nach dem Attentat auf Oliver Möller kann ich mir wirklich nicht vorstellen, wie das gutgehen sollte.“ Abgeklärter indes Rainhard Kuhne, einer von zwei Hamburger Bundesligaschiedsrichtern (der übrigens das damalige Derby am Millerntor leitete): „Das sollte man ruhig einmal probieren. Ich pfeife trotzdem in der 90. Minute einen Elfmeter, wenn es sein muß.“

Ganz so schnell werden also die „guten, alten Zeiten“, als Old Erwin Seeler noch am vollbesetzten Rothenbaum (ohne Zäune) seine Tore schoß, nicht wiederkommen. „Vielleicht können wir die Zäune ja erstmal einen Meter kürzer machen“, schlägt Hinzpeter als Alternative vor, „dann gibt es immer noch eine Hemmschwelle, aber jeder kann besser sehen.“

Damit wäre auch dem Fan geholfen, der St. Pauli auch auswärts immer begleitet. Der fragte panisch: „Wo sollen wir denn unsere Transparente aufhängen, wenn es keine Zäune mehr gibt...?“

Nobby Siegmann

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