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„Verkehrswirtschaftlich unumgänglich“

■ Hamburgs Straßenbahn wäre heute 100 Jahre alt geworden Von Andrew Ruch

„Verkehrswirtschaftlich unumgänglich“ sei es, die Straßenbahn abzuschaffen, tönte Hamburgs damaliger Bürgermeister Hans-Ulrich Klose Ende der siebziger Jahre. Am 30. September 1978 war es dann soweit. Noch ein letztes Mal fuhr die Linie 2, die letzte ihrer Art, von Schnelsen über Lokstedt zum Rathausmarkt. Seitdem herrscht Betriebsruhe. Viele Wagen wurden verschrottet, ein paar verkauft. Einige fristen inzwischen ein kümmerliches Dasein als Pommesbude, wie auf der Peute, oder im Heidepark Soltau.

Seither gab es immer wieder den Wunsch, die alte Straßenbahn zurückzubekommen, doch ob sie wirklich wiederkommt, steht in den Sternen. Zwar hat sich der Senat fachmännischen Rat zu der Frage „Straßenbahn ja oder nein“ eingeholt. Doch das ist auch schon zwei Jahre her.

„Die Gutachten werden zur Zeit noch ausgewertet“, informiert Jürgen Asmussen, Sprecher der Baubehörde, über den Stand der Dinge. Das Ganze sei eben nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine politische Entscheidung. Wie lange die Auswertung noch dauert, weiß er nicht. Nur: „Eine Straßenbahn, wie wir sie früher kannten, wird es nicht sein.“

Das kann HVV-Sprecher Peter Asmus nur bestätigen: „Wenn es zur Realisierung des Projekts kommt, wird es eine Stadtbahn sein, die eine eigene Trasse hat.“ Im übrigen sei das eine Frage des Geldes. Schließlich lägen die Kosten für ein Stadtbahnnetz mindestens zwischen 600 und 700 Millionen Mark. Immerhin - Peter Asmus könnte sich sogar eine sinnvolle Linie vorstellen: eine Verbindung in Richtung Lurup.

Keine schlechte Idee, wenn auch keine neue. Auch die Hochbahn hatte bereits in den 60er und 70er Jahren Pläne, eine U-Bahn-Strecke nach Lurup zu bauen. Das scheiterte, natürlich, am Geld. Aber allein die Vorstellung einer kommenden Untergrundbahn schien damals ausreichend, um der - durchaus existierenden - Straßenbahn den Garaus zu machen.

Straßenbahnlinie 1 hieß die und fuhr von Billstedt nach Lurup. 1968, als die U-Bahnverbindung nach Billstedt fertiggestellt war, kam dann die erste Beschneidung: Nun ging's erst vom Goldbekplatz los. 1973 reichte es nur noch bis zum Rathaus, und 1977 wurde die Linie ganz eingestellt.

Bis zu 40 Linien durchkreuzten in der Hochzeit der Straßenbahn die gesamte Stadt. Allein auf der Mönckebergstraße fuhren an manchen Tagen rund 90 Bahnen pro Stunde.

Eine Hamburger Straßenbahn fährt aber immer noch: Die Linie 2 wurde nach San Franzisko verkauft und versieht dort ihren ganz normalen Straßenbahndienst. Es scheint, als sei dies für die Amerikaner eine verkehrspolitisch unumgängliche Entscheidung gewesen.

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