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Ich bin doch nicht die Totengräberin!

■ Kultursenatorin Helga Trüpel im Gespräch: Welchen Stellenwert hat die Kultur noch in Bremen?

An diesem Wochenende müssen die Ressorts ihre Karten auf den Tisch legen: Insbesondere der Finanzsenator will wissen, wo, was und wie nochmals eingespart werden könnte. Es gilt, nicht weniger als 115 Millionen Mark zusammenzukratzen – vor allem, weil die Steuereinnahmen sinken. Das Kulturressort aber streikt: Nichts geht mehr, so heißt es; andernfalls gingen diverse Kulturträger vor die Hunde. Wie man aus dem Schlamassel herauskommen könnte, erklärte Kultursenatorin Helga Trüpel (Die Grünen) im Gespräch.

Welchen Stellenwert besitzt Kultur eigentlich noch im Bremer Senat?

Ich hab' mir das in den vergangenen Wochen oft überlegt, wie der Stellenwert von Kultur und Kulturpolitik in diesem Senat eigentlich wirklich eingeschätzt wird. Daß jetzt selbst der Finanzsenator, der uns eine Sparquote nach der anderen verordnet, Interviews gibt mit dem Tenor: „Der Stellenwert der Kultur ist zu erhöhen“ – das deutet darauf hin, daß die schon wissen, daß die SPD hier in den letzten Jahren viel zu wenig gemacht hat. Ich glaube, sowohl der Finanz- als auch der Wirtschaftssenator wissen sehr wohl: Wenn das Bremer Sanierungsprogramm überhaupt eine Chance auf Erfolg haben soll, braucht man hier ein lebendiges Kulturleben. Nur mit Straßenbau und anderen Infrastruktur-Maßnahmen kann man interessante Firmen nicht zur Ansiedlung bewegen; da muß sich auch kulturell was in der Stadt tun. Insofern sieht der Senat die wichtige Rolle von Kultur durchaus. Aber die Senatoren sehen sich auch aufgrund ihrer eigenen politischen Interessen – der Wahlkampf hat ja deutlich begonnen – nicht in der Lage, das Ressort entsprechend auszustatten.

Wie müßte diese Ausstattung denn genau aussehen?

Es gibt da einen richtigen Strukturfehler in der Anlage unserer Politik: Das Geld, das im WAP ist (Wirtschaftspolitisches Aktionsprogramm, Anm.d.Red.), für Tourismus- und Kulturförderung, das müßte beim Kulturressort sein. Denn so werden wir immer wieder in die Rolle des Bittstellers gedrängt. Das ist unwürdig, und es ist ein falsches politisches Signal. Es ist richtig, daß wir uns derzeit mit dem Wirtschaftssenator um gemeinsame Finanzierung bemühen, weil uns sonst noch mehr kaputtgehen würde. Aber vom Ansatz her muß da einiges geändert werden. Besonders der Finanzsenator hat noch eine Vorstellung von Kulturpolitik, die konzeptionell aus den 60er Jahren stammt. Die zielt nur auf die großen, alten Institutionen, die er dann auch noch privatisieren will. Am Beispiel Fockemuseum haben wir das mal durchgerechnet. Schließlich hat der Finanzsenator einen Brief ans Museum geschrieben, daß sowas doch nicht geht. Aber gleichzeitig gibt er Interviews, wo er genau das wieder vorschlägt. Das ist unredlich, reine Stimmungsmache und Wahlkampf und hat mit gelungenen kulturpolitischen Konzepten nichts zu tun. Im Augenblick neigt Kröning überhaupt ja dazu, von anderen Ressorts Unterwerfungsgesten zu verlangen: Wohlverhalten wird mit Mios belohnt; wer nicht in seinem Sinne sparen will, bekommt Strafe.

Das heißt unterm Strich: Auf der einen Seite wird im Senat gesehen, daß der Kulturetat zu niedrig ist und daß die Institutionen in einem Umfang von 150 bis 200 Millionen Mark einen Sanierungsbedarf haben; gleichzeitig aber sieht im Augenblick niemand, wo dieses Geld herkommen soll. Wir werden ja oft als unbeweglich und halsstarrig hingestellt, weil wir nicht so sparen wollen. Ich glaube aber, daß das Kulturressort in einer besonderen Rolle ist. Die Vorgabe des Sanierungsprogramms heißt ja: –runter von Sonderausstattungen; aber in der Kultur haben wir sowas gar nicht. Wenn überhaupt, haben wir einen negativen Sonderstatus, weil Bremen mit seinem Kulturhaushalt so weit unter dem Bundesdurchschnitt liegt. Und das merkt man auch überall in der Stadt.

Wie wollen Sie diese Sonderrolle der Kultur, die zur Zeit unter einem besonderen Druck ist, den Kollegen in den anderen Ressorts konkret verdeutlichen? Anders gefragt: Ist es jetzt nicht an der Zeit, die Loyalität gegenüber dem Gesamtsenat ein Stück weit aufzugeben, um vom Sparprinzip „Rasenmäher“ wegzukommen?

Wir haben uns schon relativ früh, als diese Sparquoten auf dem Tisch waren, an Wedemeier und die Senatskollegen gewandt, um ihnen klarzumachen, was eine solche konsumtive Sparquote für das Kulturressort bedeuten würde.

Mit praktischen Beispielen?

Ja, mit einer Liste der Institutionen, die alle geschlossen werden müßten; in einer Größenordnung von acht bis zehn Häusern. Und ich habe denen klargemacht, daß ich das nicht verantworten kann.

Rechnerisch würde das doch z.B. bedeuten: alle Bürgerhäuser dichtmachen.

Rechnerisch, ja, aber das wollen wir natürlich nicht. Rechnerisch wäre es auch so eine nette Mischung wie: Das Ernst-Waldau-Theater schließen; das Medienzentrum Walle zu schließen; keine Unterstützung mehr für die Shakespeare-Company; vier Bürgerhäuser dichtzumachen und noch dem KITO in Vegesack alles wegkürzen. An solchen Planspielen wird schon deutlich: Wenn wir Krönings Sparquote erfüllen, wäre das so ein dramatischer Einschnitt in der kulturellen Angebotsbreite der Stadt, daß das nicht zu verantworten ist.

Wie reagieren denn die Senatskollegen darauf?

Bisher hat sich noch niemand geäußert. Aber es kommen so geniale Hinweise wie vom Finanzsenator, daß er angeblich schon die richtigen Sparkonzepte hätte. Aber seine Privatisierungvorschläge, zum Beispiel fürs Theater oder die Museen, sind entweder ungenau oder gar nicht machbar. Bis jetzt gibt es im Gesamtsenat keine offene Diskussion darüber. An diesem Wochenende werden die einzelnen Ressortleiter dem Präsidenten des Senats, Fücks, Jäger und Kröning ihre Haushalte vorstellen und verteidigen. Und das werde ich natürlich ganz vehement machen.

Im Kulturhaushalt läßt sich doch aber kaum noch sparen, obwohl der Finanzsenator schon Streichlisten vorlegt. Wäre es nicht an der Zeit, den Spieß mal umzudrehen und Vorschläge zu machen, was sich anderswo relativ schmerzlos einsparen ließe?

Genau das haben wir gemacht. Es leuchtet mir z.B. nicht ein, daß jetzt der Lloyd-Tunnel für 1,5 Millionen Mark saniert wird, wenn da in den nächsten Jahren ein Intercity-Hotel geplant ist. Ist diese Investition noch sinnvoll? Zwei Bürgerhäuser zu erhalten, das ist doch wichtiger als der Lloyd-Tunnel. Oder: Ein drittes Bürgerhaus zu erhalten ist wichtiger, als das Standesamt jetzt mit einer halben Million zu sanieren. Da habe ich etliche konkrete Vorschläge, mit denen wir schließlich auf unsere Sparquote von 5,6 Millionen Mark kommen.

Das sieht dennoch alles eher nach Verteidigungstaktik aus. Man hatte in den vergangenen Wochen oft den Eindruck, daß sich die Kultursenatorin aus der öffentlichen Diskussion zurückzieht. Wäre es nicht angebracht, mal öffentlich Krach zu schlagen.

Ich glaube nicht, daß der Eindruck entstanden ist, daß ich für die so notwendigen Mittel im Kulturbereich nicht mehr streiten würde. Ich glaube, daß auch deutlich geworden ist, daß ich mit einem offenen Dissens aus den Haushaltsberatungen für –94 mit dem Finanzsenator herausgegangen bin. Und was den Stellenwert von Kultur angeht, hat es doch in Bremen in den letzten zehn Jahren nie so viele Debatten gegeben wie jetzt.

Dennoch wird eine klare Prioritätenliste des Kulturressorts von manchem nach wie vor vermißt. Muß man jetzt nicht die Karten auf den Tisch legen und z.B. sagen: Wo wir die bestehenden Institutionen kaum erhalten können, dürfen wir so etwas wie ein neues „Kulturforum am Markt“ eigentlich nicht anfangen? Wäre das nicht halsbrecherisch?

Das Forum existiert doch schon. Es geht doch gar nicht um etwas Neues. Es gibt einen Mietvertrag bis zum Jahr 2001, da kommen wir gar nicht raus; wir könnten die Räume höchstens weitervermieten. Wir haben sehr deutlich gemacht, daß wir im Moment nur die Miete zahlen können und nicht mehr. Aber diese Räume jetzt aufzugeben, das wäre ein Schritt in die falsche Richtung. Denn jetzt gibt es die Überlegung in anderen Ressorts gibt, etwas mehr in der Innenstadt zu machen, die Aufenthaltsqualität zu vergrößern, z.B. die Langenstraße verkehrszuberuhigen. Bei dieser ganzen Idee spielen Kulturangebote natürlich eine große Rolle. Vielleicht werden wir dazu gezwungen, den Schritt zurück zu tun. Aber erstmal werde ich kulturpolitisch dafür kämpfen, weil es ein guter Standort ist, mit einem inzwischen guten Konzept. Nur mit Projektförderung, ohne festes Personal. Das wird für jede neue Ausstellung neu zusammengeholt. Unter den schwierigen Bedingungen, mit denen wir jetzt zu kämpfen haben, ist dieses Modell absolut up-to-date. Sowas aufzugeben – das tut weh.

Solche schmerzhaften Entscheidungen werden doch von der Kultursenatorin gefordert.

Wir haben doch an vielen Punkten klar gesagt, wovon wir uns verabschieden müssen. Von der Breminale, vom Fotoforum zum Beispiel. Beim Jungen Theater haben wir jetzt die Entscheidung getroffen: Wir steigen in keine institutionelle Förderung ein, obwohl die uns die Bude einrennen. Andererseits ist meine Rolle ja nicht die der Totengräberin der Kultur. Nur weil ich denke: Ach, im nächsten Jahr wird der Finanzsenator nochmal zehn Millionen einsparen wollen – soll ich da in vorauseilendem Gehorsam gleich allen sagen: „Macht eure Buden dicht, wir kriegen das sowieso nicht hin“? Das ist doch nicht meine Aufgabe. Erstmal streite ich dafür, daß es ein gutes und vielfältiges Kulturangebot in dieser Stadt gibt.

Fragen: Thomas Wolff

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