Der Raum wird zum Risiko

■ Diskussion über private Sicherheitsdienste im Haus der Demokratie / In Brandenburg sollen Bürger bald mit der Polizei zusammenarbeiten dürfen

Ute Wentzlaff aus Klosterfelde, rund 35 Kilometer nördlich von Berlin, ist „verzweifelt“ und fühlt sich vom Staat „allein gelassen“. Der einzige Polizist aus DDR-Zeiten ist schon lange nicht mehr im Ort, die Einbrecher haben seit geraumer Zeit Konjunktur. Mehrmals ist ihr Laden in der Vergangenheit ausgeraubt worden. Nun spielt sie mit weiteren neun Geschäftsleuten Hilfssheriff. Jede Nacht patroulliert eine Doppelstreife der selbsternannten Bürgerwehr durch den Ort. Seitdem herrsche Ruhe, sagt Wentzlaff.

Noch ist Klosterberg die Ausnahme. Doch verstärkt greifen Geschäftsleute und Bürger zur Selbsthilfe. Wenn sie sich nicht selbst organisieren, engagieren sie andere, um ihre Vorstellungen von Recht und Ordnnung durchzusetzen. Drohen private Sicherheitsdienste eine Polizei außerhalb des Rechtsstaates zu werden, fragten sich daher am Donnerstag abend im „Haus der Demokratie“ Teilnehmer einer Diskussionsrunde. Eingeladen hatten die „Humanistische Union“ und die „Stiftung Mitarbeit“. Geschäftsfrau Wentzlaff war sich sicher: Ohne eigene Hilfe gehe es schon lange nicht mehr, die Polizei sei zu langsam und zeige auch oftmals gar kein Interesse, die Täter zu verfolgen.

Daß die Sicherheitsbedürfnisse der Bürger ernst genommen werden müssen, war auch bei den Kritikern unumstritten. Albrecht Funk von der Redaktion der Berliner Zeitschrift „Bürgerrechte und Polizei“ verwies auf die Slums in den USA, wo die Ärmsten der Ärmsten unter der Kriminalität besonders litten. Damit war der Konsens erschöpft. Randgruppen drohe der Verlust der öffentlichen Sicherheit, wenn sich der Staat von seinem Gewaltmonopol verabschiede, befürchtete Funk. Von seinem Vorschlag einer Bürgerpolizei, die mit runden Tischen vor Ort soziale und sicherheitsrelevante Probleme löst, ist das Nachbarland Brandenburg noch weit entfernt. Dort wird der akute Personalmangel der Polizei demnächst mit einem neuen Konzept begegnet. In zunächst zehn Gemeinden sollen in einem Pilotprojekt (Titel: „Sicherheitspartnerschaft“) Bürger mit modernen Kommunikationsmitteln ausgestattet werden, um Informationen an die Ordnungshüter zu melden. Das von der SPD favorisierte Konzept ist im Nachbarland höchst umstritten, weckt es doch böse Erinnerungen an den „Freiwilligen Helfer der Volkspolizei“ aus DDR-Zeiten. Kriminaldirektor Michael Gellenbeck vom Brandenburger Innenministerium war denn auch bemüht, Sorgen zu zerstreuen. Es sei zwar nicht von der Hand zu weisen, daß sich ein „bestimmter Typ Mensch“ der Polizei anbieten werde. Doch sei auf keinen Fall daran gedacht, den Bürgern Hoheitsbefugnisse einzuräumen.

Das Gewaltmonopol müsse beim Staat bleiben, denn nur so könne die Polizeiarbeit auch parlamentarisch überprüft werden, forderte Peter Trapp vom Landesvorstand der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Hinter privaten Wachdiensten verberge sich eine „sehr große Gefahr“, so der Kriminalhauptkommissar: „Wer kontrolliert die Sicherheitsdienste?“ Jörg Julius, Mitarbeiter des Berliner CM-Sicherheitsdienstes – dessen Leiter Ahmed M. vor seiner Arbeit als Sicherheitsleiter des Unternehmens wegen Nötigung und Körperverletzung mehrmals verurteilt wurde – umschiffte das heikle Thema. Daß die CM-Mitarbeiter nach Julius Versicherung „einwandfreie polizeiliche Führungszeugnisse“ vorlegen müßten, sei kein Zeichen für ausreichende Kontrolle, bemängelte denn auch Trapp. Solche Leumundspapiere seien in der Regel nach fünf Jahren wieder „sauber“. Die Betoffenen brauchten also nur abwarten.

Der öffentliche Raum werde zunehmend auch in den bundesdeutschen Städten durch den Einsatz von Wachdiensten privatisiert, so Funk. Nebeneffekt: Die Uniformierten könnten über das Hausrecht unliebsame Personen, etwa Obdachlose oder Fixer, verdrängen. Einher geht laut Funk nicht nur die Realisierung einer „schönen neuen Welt“ der Einkaufsmeilen. Auch demokratische Rechte werden ausgesetzt: In den USA gebe es Privatstraßen, in denen selbst das Verteilen eines politischen Flugblattes von Sicherheitsdiensten unterbunden werde. sev