: Das ganze Haus im Schafspelz
Umweltpreis für Schurwolle-Wärmedämmung / „Die Leute leiden, weil die Wände nicht mehr atmungsaktiv sind“ / Schöneberger Schüler umgarnt ■ Von Christian Arns
Den Umweltpreis des Bundesverbandes der Deutschen Industrie hat am Donnerstag Bundesumweltminister Klaus Töpfer in Bonn an Ludwig Krickl übergeben. Der Unternehmer aus Bayern wurde für sein Produkt Iso-Woll ausgezeichnet, das eigentlich nichts anderes als ein Pullover für Häuser ist. „Wolle hat sich am Körper Jahrtausende lang bewährt“, meint Krickl und vermutet: „Was für Menschen gut ist, kann doch für Häuser nicht schlecht sein.“ Als er erfahren habe, daß die Schäfer regelmäßig große Mengen Schurwolle wegwerfen, da sie keine Abnehmer mehr finden, habe er das kaum glauben können, beschreibt Krickl den Ausgangspunkt der Erfindung der taz: „Schurwolle ist doch ein hochwertiges Produkt“, trotzdem seien die Preise im Keller.
Ohne Baustoffzulassung haften Bauherren selbst
1989 sei die Idee, aus Schafswolle einen ökologischen Dämmstoff herzustellen, „in unserem Haus entwickelt und weiterverfolgt worden“. Das Produkt sei bald fertig gewesen, doch es habe noch die Baustoffzulassung gefehlt, erinnert sich Heidulf Perplies, Hauptanteilseigner und Geschäftsführer der Außenhandelsgesellschaft AHZ in der Kreuzberger Urbanstraße. Diese hat den Generalvertrieb für Iso-Woll in Berlin und Brandenburg übernommen. Die fehlende Zulassung sei ein Problem gewesen, denn: „Ein Bauherr ist nicht abgesichert, wenn er einen nicht zugelassenen Baustoff verwendet.“ Das Problem ist jedoch seit Oktober 1992 gelöst. Schon im gleichen Jahr erhielt Iso-Woll vom Wirtschaftsministerium den Bundespreis für hervorragende innovatorische Leistungen für das Handwerk. Und Kunden: „Im letzten Jahr haben wir 6.600 Quadratmeter Schafwollvlies verkauft“, berichtet Perplies der taz, „davon über die Hälfte allein in Berlin.“ In Steglitz sei ein Wohnhaus um eine Etage aufgestockt worden, deren Bewohner nun im großen Woll- Pulli leben, „und in der Kolonnenstraße in Schöneberg dämmen wir die Havellandschule“.
Bei der bautec, der Internationalen Baufachmesse Berlin, seien die Stände durchgehend von Menschentrauben umlagert gewesen, berichten Krickl und Perplies übereinstimmend. Einige Fachleute hätten ihn jüngst bei einer Fachmesse in Los Angeles angesprochen, wundert sich Krickl, „nur weil sie in Berlin nicht an unseren Stand herangekommen sind. Ich habe aus L.A. zwölf Berliner Adressen mitgebracht.“
Wollvlies wird ganz einfach festgetackert
Verwundert ist Perplies darüber nicht: Die zunehmende Kritik an den künstlichen Mineralfasern und zunehmendes Umweltbewußtsein hätten das Interesse an ökologisch unbedenklichen Dämmstoffen verstärkt. Im Gegensatz zu den Produkten aus Altpapier, das von Fachleuten oder nach entsprechender Einweisung eingeblasen werden muß, werde das Wollvlies „ganz einfach zwischen den Sparren festgetackert“.
Gerade im Umland werde die Wolle aber nicht in erster Linie als Einzelprodukt vermarktet: „Dort ist das Interesse an der Kombination mit anderen ökologischen Baustoffen sehr groß“, erklärt Iso- Woll-Vertreiber Perplies, etwa mit Lehm, Holz und Stroh. Alles seien Stoffe, die wegen ihrer Umweltfreundlichkeit erneuten Zulauf hätten. Die Verbindung der Baustoffe macht ein Haus zudem dampfdiffusionsoffen: Der zungenbrecherische Begriff steht für die Fähigkeit der Wände, Feuchtigkeit zu speichern und bei Überschuß auch nach außen abzugeben, ohne aber Wasser von außen nach innen dringen zu lassen. „So entsteht ein sehr angenehmes Raumklima“, lobt Perplies die Vorzüge gegenüber der hermetischen Abriegelung: „Die Leute leiden, weil die Wände nicht mehr atmungsaktiv sind.“
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