Sanssouci: Vorschlag
■ Montagsmusik – Die Stimmakrobaten Han Buhrs und Jaap Blonk im Podewil
„Vom Rock bekommen wir die elektrische Energie, vom Jazz die Improvisationen, aus der Pataphysik den Humor, von Videos, Computern und Banken bekommen wir nichts“, schrieb die franko-holländische Gruppe Encore Plus Grande, deren singendes und textendes Mitglied Han Buhrs war, in den achtziger Jahren. Längst hat sich die Formation aufgelöst, und dennoch können die Kräfte, die in der Arbeit von Buhrs zusammenfließen, auch 1994 nicht besser beschrieben werden. Der Vokalist, Instrumentalist und Performer, der seit seinem 16. Lebensjahr Musik macht und in zahlreichen, meist von ihm initiierten Bands – Remo Tobs, Nine Tobs, Combo Wind, Schismatics, Diftong, Simbur – gearbeitet hat und noch arbeitet, ist ein Künstler mit ungewöhnlicher Bühnenpräsenz und eigenwilligen Ideen.
Stimmakrobatik und Rockröhre gehen bei ihm Hand in Hand; er knödelt, wimmert, schreit, säuselt, tremoliert, singt sich zwischen die Gehirnwindungen und rennt in seinen Texten mit Verve immer wieder an gegen die schöne neue Welt: „Zing zang zakkota zoo / Throughout this life / there's been an overdose / of nothingness.“ Buhrs Soloprogramm, seine schrägen Songs, die er meist mit einem selbstgebauten Saiteninstrument begleitet, leben von der Spannung, die zwischen seinem druckvollen, leidenschaftlichen, manchmal auch widerborstigen Vokalvortrag und seiner altmodisch-introvertierten, höchst konzentrierten körperlichen Anwesenheit auf der Bühne entstehen.
Jaap Blonk, ebenfalls Musiker und Stimmkünstler aus Holland, der zusammen mit Han Buhrs John Berrymans „Dream Songs“ interpretiert, ist spezialisiert auf phonetische Poesie und improvisierte Vokalsprünge. Wie er zu seiner Arbeitsform fand, beschreibt er am besten selbst: „Unvollendete Studien der Physik, Mathematik und Musikwissenschaft sowie mehrere Jobs in Büros und anderen pünktlich organisierten Systemen brachten meinen Hang zu dadaistischen Aktionen an den Tag.“ „Lieder vom Himmel“ nennt sich seine Zusammenstellung eigener und von anderen Dichtern unseres Jahrhunderts geschriebenen Lautmalereien. Seine 1986 veröffentlichte Interpretation der Ursonate war ein Lichtblick im Meer der Schwitters-Epigonen und bewies seine hohe Sprachmusikalität. Anna-Bianca Krause
Han Buhrs und Jaap Blonk, „Riecher- und Hirngesänge, Lieder vom Himmel, Dream Songs und andere stimmvolle Stücke“ – heute abend um 20.30 Uhr im Podewil, Klosterstraße 68–70, Mitte.
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