: Nudelhölzer zu Kann-Rollen
■ Gabi-Grete Kellerhoff, Initiatorin des Kulturfestivals „Gewaltige Frauen“, im free-floating-Gespräch über schlummernde Frauenpower und deren ganz realistische Utopien
Weg von der Amazone, die sich eh nur im Geschlechterkampf verzehrt, hin zur geflügelten Siegesgöttin Nike von Samothrake! Frau braucht wieder mehr Lust an Erfolg, Macht und Konkurrenz, tönt es durch die Republik. Leicht gesagt? Die taz sprach mit Gabi-Grete Kellerhoff, frauenbewegte Gewerkschafterin, Kabarettistin und Pädagogin über das Mögliche im Utopischen.
Wie sieht Ihre liebste Frauen-Utopie aus?
Das ist schwer – ich glaube, meine liebste Frauen-Utopie wäre die, daß wirklich alle Frauen, das, was sie an Kreativität, an Kraft, an Power in sich haben, erkennen und auch einsetzen. Dann wären wir viel weiter. Und zwar auch mit allen anderen Utopien, ob das nun Halbe-Halbe ist oder Gleichberechtigung am Arbeitsplatz oder gleicher Lohn für gleiche Arbeit und, und, und. Und die zweite Utopie wäre, wow!, daß ich nachts über die Straße oder durch den Bürgerpark gehen kann und keine Angst davor haben muß, daß mich irgendwelche Männer in irgendeiner Form anmachen oder belästigen.
Der Rest an Frauenforderungen driftet auseinander. Die USFrauenrechtlerin Naomi Wolf, 32 Jahre ist sie alt, schreibt in ihrem neuen Buch „Die Stärke der Frauen“, die Alt-Feministinnen hätten den Kontakt zur Mehrheit der Frauen verloren.
Die einzige Möglichkeit zur Annäherung sehe ich darin, daß die Frauen etwas miteinander machen. Und zwar nicht nur miteinander am Tisch sitzen und reden. Überall da, wo ich das erlebt habe, beim Kabarett zum Beispiel, gab's Berührung und gab's Aha-Effekte. Vorher herrschten Vorurteile wie 'Mein Gott, die sieht aber trutschig aus, das ist ja wirklich 'ne richtige Mutti' über 'Mein Gott, ist die aufgelackt' bis zu 'Mein Gott, redet die intellektuell daher'. Frau dachte und denkt ja leider immer noch in diesen Klischees.
Solidarisch sollt ihr sein. Frauen fehlt es an Macht, aber sie trauen sich selbst und auch anderen Frauen weniger zu. Zum Beispiel: Frauen wählen keine Frauen.
Ja, das ist so ein kollektives Unterstatement. Bewerbungen sind da Paradebeispiele. Frauen sollten selbstbewußter darstellen, was sie gemacht haben und machen.
... übertreiben lernen?
Ne, nicht übertreiben, oder vielleicht doch. Ja, ich kann Frauen den Tip geben, zu übertreiben. Die Männer machen's allemal. Ich glaube, sie müssen viel mehr auf den Putz hauen. Übertreiben würde bedeuten, daß sie's nötig haben, und das trifft nicht zu. Sie halten einfach nur viele Sachen für nicht-erwähnenswert, und das ist verkehrt.
Mit dem Zusatzeffekt, daß die Frauen, die etwas machen und etwas erreichen, für die anderen Frauen auch nicht präsent sind. Die zwei oder drei großen deutschen Vorbildfrauen schlechthin, die will ich sowieso nicht haben. Wichtig wäre vielmehr, daß auf regionaler Ebene die Frauen mit ihrer Leistung mehr in die Öffentlichkeit kommen und mehr gewürdigt werden. Von den Frauen wie den Männern. Und daß die Frauen vor Ort sich mit diesen Frauen austauschen können. Da sind auch die Medien gefordert.
Ach ja. 53 Prozent Frauen leben im Land. Wie sieht's in den Gewerkschaften aus?
Über dreißig Prozent. Mit steigender Tendenz.
Das ist doch großes Potential für Frauenpower.
Es gibt eine Menge an Frauen, da gehöre ich dazu, die früher gesagt haben, wir müssen innerhalb der Gewerkschaften gemeinsam mit den Männern kämpfen. Das hat sich geändert. Viele Frauen haben eingesehen, daß wir außerdem als Gewerkschaftsfrauen gemeinsam und massiv auftreten und unsere frauenspezifischen Rechte einfordern müssen. Dieser doppelte Kampf ist im Moment fast nicht zu schaffen, auf Kosten des Frauenkampfes, aber er wird auch in Zukunft leider nötig sein.
Zum Bremer Kulturfestival 'Gewaltige Frauen' fielen die Stichworte Nudelholz und Lippenstift als Frauenwaffen.
Das Nudelholz ist ja zur Kann-Rolle avanciert. In unserem Video-Clip befreit sich 'die' Nudelholz von ihrer Küchenrolle und macht sich auf in die Welt, nach Bremen. Irgendwann kann dieses Nudelholz dann auch eine reelle Waffe sein.
Zum Zuschlagen?
Unsere These ist die, daß frau alles kann, aber mit Nudelholz einfach noch besser. Ansonsten glaube ich, wenn Frauen ihre Spontaneität, ihre Frechheiten und ihre Offenheiten nicht aufgrund von Anpassung zurückstellen, dann sind das allein schon wunderbare Waffen. Und zwar entwaffnende Waffen. Wir sind gegen Gewalt.
Und was könnte die Nudelholz in Bremen Utopisches durchschlagen?
Ich ganz persönlich, ich will hier ein Frauenkulturzentrum, in dem Frauen kulturell produzieren können, in dem Frauen kulturell sich darstellen können, was die Arbeit von TheaLit und belladonna miteinschließt und bei weitem übersteigt. Ich bin ganz bescheiden, ich wünsche mir dort jeweils eine feste Stelle für Theater, Kabarett, Musik, Tanz, bildende Kunst. Ein eigenes Haus dafür, na, das wäre ja dann schon Uto-Utopie.
Fragen: Silvia Plahl
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