: Feminismus als Ressort – ein Job im Kreuzfeuer
■ Die österreichische Frauenministerin Johanna Dohnal, ein Relikt aus der autonomen Frauenbewegung, kämpft um ihre Kompromißlosigkeit
Im Herbst 1993 fiel Johanna Dohnal wieder einmal in Ungnade. Als eine Wochenzeitung ihrem Parteifreund Sozialminister Josef Hesoun vorwarf, einer jungen Abgeordneten ins Dekolleté gefaßt zu haben, forderte die österreichische Frauenministerin von ihrem Kollegen in einem Rundfunkinterview, er solle „klagen oder zurücktreten“. Ihr Chef, Kanzler Franz Vranitzky, tobte über die Sturheit seiner Ministerin: „So geht das nicht. Ein für allemal nicht.“ Der sozialdemokratische Parteichef schlug sich in der „Grapsch-Affäre“ auf die Seite seines Ministers, Dohnal schwieg resigniert. Seither fürchtet sie wieder einmal, nach den Wahlen im Herbst ihren Job zu verlieren.
Johanna Dohnal hat es sich nie leicht gemacht. Als stellvertretende Vorsitzende der SPÖ hat die linke Paradefrau dem im Lauf der Zeit immer pragmatischer agierenden Kanzler mehr als einmal die Grundsätze der Partei vorgehalten. Auch deshalb zählt sie zu den meistverachteten PolitikerInnen des Landes. Im Dezember des Vorjahres schickten rechtsradikale Attentäter auch ihr eine Briefbombe ins Büro. Der Brief wurde entdeckt, Dohnal blieb unverletzt. Im Gegensatz zu anderen Empfängern blieb ihr öffentliche Anteilnahme weitgehend versagt.
Johanna Dohnal sieht man ihre Prinzipien an. Zugeständnisse an den Zeitgeist meidet die Kettenraucherin ebenso wie Lippenstift und Lidschatten. Trotz langjähriger Regierungszugehörigkeit hat sie die Kunst der feinen Klinge nicht gelernt. Ihre Härte ist gefürchtet. Auch bei ihren Mitarbeiterinnen. Als eine von ihnen schwanger wurde, warf ihr Dohnal „unsolidarisches Verhalten“ vor. Ihre Unnachgiebigkeit hat auch mit ihrer zunehmenden Isolation in- und außerhalb ihrer Partei zu tun. Nach dem Niedergang der autonomen Frauenbewegung in Österreich hat die 55jährige Ministerin kaum noch Verbündete.
Als Bundeskanzler Bruno Kreisky vor 15 Jahren die gelernte Industriekauffrau als „Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen“ in seine Alleinregierung holte, sollten die gegen Abtreibungsverbot kämpfenden Feministinnen dauerhaft an die Sozialdemokratie gebunden werden. Abtreibung wurde bis zum dritten Schwangerschaftsmonat straffrei und Johanna Dohnals barockes Büro in der Hofburg zur ersten Adresse für Frauenfragen. Schon vier Jahre später wurde ihr Amt von Kreiskys Nachfolger am Wiener Ballhausplatz in Frage gestellt. Eine lautstarke Demonstration der Frauenbewegung mußte aufgeboten werden, um das Staatssekretariat zu sichern.
1994 ist von der damals eingeschworenen Fan-Gemeinde der zur Ministerin aufgewerteten Johanna Dohnal nicht mehr viel übriggeblieben. Ihre „Töchter“ halten Chancengleichheit für selbstverständlich und feministische Radikalität für altmodisch. Eine Einstellung, auf die die Ministerin mit Kopfschütteln reagiert. Weiß sie selbst nur zu genau, wie hart um jedes Zugeständnis gekämpft werden mußte. Zuletzt um das Gleichbehandlungspaket, mit dem Johanna Dohnal das von den Verfassungsrichtern aufgehobene ungleiche Pensionsalter von Männern und Frauen aufwiegen wollte. In monatelangem Kleinkrieg gegen die Christdemokraten mußte sie feststellen, daß ihre Forderungen nicht einmal in den eigenen Reihen mitgetragen wurden.
Für die von Dohnal geforderte Beweislastumkehr bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz würden „Frauen nicht auf die Straße gehen“, sagte eine ranghohe Gewerkschafterin. Dohnal konnte daher nur eine abgeschwächte Variante durchsetzen. Seit 1993 sind kollegiale Übergriffe auf Frauen im Betrieb zwar strafbar. Doch die Beweislast liegt beim Opfer, das vor der Kündigung vom Gesetz nicht geschützt wird. Auch dieses Zugeständnis haben die Unternehmervertreter der Ministerin abgerungen. 1994 bereitet sich die Ministerin vielleicht gerade wegen der Ablösegerüchte wieder einmal auf einen schier aussichtslosen Kampf vor. Sie will die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit verwirklichen. Barbara Hoheneder, Wien
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