Ein bißchen Frau schmückt jede Partei

Welche Partei kann frau im „Superwahljahr“ wählen? Kommen spezifische Interessen von Frauen in den Parteiprogrammen von SPD, CDU, Bündnis 90/Grüne und PDS überhaupt vor? Spitzenpolitikerinnen helfen bei der Entscheidungsfindung.

Frauenpolitik von Bündnis 90/Die Grünen ist feministische Politik, die auf die Veränderung der gesamten Gesellschaft abzielt. So steht es jedenfalls im Programm. Frauenpolitik zielt in der Tat auf eine Veränderung der Gesellschaft, denn ohne daß Männer gesellschaftliche und politische Positionen an Frauen abgeben und gleichzeitig Funktionen in Familie und Ehrenamt übernehmen, wird es tatsächliche Gleichberechtigung nicht geben. Die Vorstellungen von Bündnis 90/Die Grünen zur Umgestaltung unserer Gesellschaft entsprechen aber nicht meinen. Da wird der Umbau des Erwerbssystems gefordert und dabei selbstverständlich vorausgesetzt, daß alle Männer und Frauen erwerbstätig sein wollen – eine Unterstellung, die nicht einmal auf alle Männer zutrifft. Eine freiheitliche Gesellschaft bedeutet aber, daß Frauen und Männer sich für einen Lebensentwurf entscheiden können. Diese Entscheidungsfreiheit ist heute nicht gegeben. Sie ist aber durch Arbeitszeitverkürzung, Nivellierung der Löhne und Gehälter, Einführung von Quoten und Freistellungsansprüchen nicht zu erreichen. Wenn wir Leistungsanreize weitgehend abschaffen, bedeutet das die Abschaffung der Tarifautonomie und Gefährdung des Wirtschaftsstandorts Deutschland.

Bündnis 90/Die Grünen setzen sich für eine ersatzlose Streichung des Paragraph 218 ein und sprechen sich gleichzeitig gegen alle Versuche in der Gen- und Reproduktionstechnologie aus. Ich verneine ein ausschließliches Selbstbestimmungsrecht der Frau beim Schwangerschaftsabbruch genauso wie die völlige Forschungsfreiheit in der Gen- und Reproduktionstechnologie. In beiden Fällen geht es um den Eingriff in Leben, mit dem Unterschied, daß beim Schwangerschaftsabbruch das Leben der Mutter und das des ungeborenen Kindes betroffen sind. Während gentechnische Experimente mit menschlichem Leben bei uns verboten sind, ist beim Schwangerschaftsabbruch eine Abwägung der Schutzinteressen erlaubt.

Bündnis 90/Grüne lehnen die Privilegierung der Ehe ab und fordern die gleichberechtigte Anerkennung aller Lebensformen. Für mich bedeutet eine offene Gesellschaft, daß sie unterschiedliche Lebensformen respektiert. Das heißt aber nicht, daß ich traditionelle Werte und Bindungen über Bord werfen kann. In einer Zeit, in der die Vereinzelung des Menschen zu- und der Dialog zwischen den Generationen abnimmt, halte ich auf Dauer angelegte Bindungen aus der Sicht des Staates für schützenswert. Gemeinsamkeiten gibts es dagegen beim Kapitel Gewalt gegen Frauen. Angela Merkel

Zu Beginn möchte ich gleich klarstellen, daß ich weder empört noch tief betroffen bin über das, was im Frauenprogramm der CDU drinsteht. Auch daß die Lesben wieder einmal mit keinem Wort bedacht werden, wirft mich nicht vom Hocker. Das wird solange so bleiben, bis der Papst sich unverklemmt positiv dazu äußert, und ehe das passiert, wird wohl noch so mancher Pius durch die Welt reisen müssen. Welche Instrumentarien also will die CDU anwenden, um Frauenrechte durchzusetzen? Wo ist heute der Ort, an dem Frauenpolitik sich artikulieren muß? Ein Blick in den Frauenteil des CDU-Parteiprogramms zeigt keinerlei Problembewußtsein, wenn es um die Beteiligung von Frauen an der Erwerbstätigkeit geht, um Umstellung auf Teilzeitarbeitsplätze, zweiten Arbeitsmarkt, Frauen in Führungspositionen in Wirtschaft, in Politik, Familienleben ohne Ausbeutung der Frau und um Gestaltung des Zusammenlebens mit ausländischen Frauen.

Im Frauenprogrammteil der CDU und anderen Dokumenten, in Reden des Kanzlers und anderer wichtiger Männer taucht der Begriff Partnerschaft inflationär auf. Im Klartext heißt das: Die CDU appelliert an die Männer, in allen gesellschaftlichen Bereichen nun endlich den Frauen zu ihrem Recht zu verhelfen. Der gravierende Denkfehler ist: Durch einen Appell, der sich ja an den jeweiligen männlichen Entscheidungsträger wendet, wird der Konflikt individualisiert. Die mangelnde Durchsetzung der Gleichberechtigung ist aber kein individueller, sondern ein gesellschaftlicher Konflikt, und eine Partnerschaft kann nur funktionieren, wenn die Bedingungen der Partner vergleichbar sind. Notwendig ist deshalb ein neuer Gesellschaftsvertrag zwischen den Geschlechtern, der nicht nur sozialstaatliche Aktivitäten fordert, die die Lebensentwürfe und -umstände von Frauen berücksichtigen, sondern öffentlich die Verantwortlichkeit des Mannes reklamiert. Hinter dem Partnerschaftskonzept der CDU verbirgt sich die Angst, diese Auseinandersetzung öffentlich auszutragen.

Die CDU kreist ziemlich beharrlich um die Familie, die Erwerbsarbeit, also die Vereinbarkeit für Frau und Mann, immerhin, wenn auch nur als Appell. Die neue Dimension von Geschlechterdemokratie will mehr: nicht nur andere Quantitäten, sondern neue Qualitäten. Frauen haben heute in Zeiten der Legitimations- und Vertrauenskrise der Parteien einen höheren Bonus in der Politik als Männer. Mit Rita Süssmuth als Kanzlerkandidatin müßte sich die CDU keine Sorgen um eine Mehrheit bei der nächsten Bundestagswahl machen. Mit einer Frauenmehrheit im Parlament wäre vielleicht ein Konzept der Pflegeversicherung schon längst verabschiedet. Wir sind nicht die besseren Menschen, aber unsere Vorstellungen, Lösungen und Problemsicht ist oft anders. Frauenpolitik, die Geschlechterdemokratie will, stellt Konzepte in Frage. Es gibt keinen Bereich in der Politik, der vor uns sicher sein sollte. Einmischung mit weiblichem Blick ist notwendig, und was dieser Blick beinhaltet, bestimmen wir selbst.

Im „Superwahljahr“ werden Heerscharen vom Ministerpräsidenten, Kanzlerkandidaten und männlichen Oppositionsführern die Bildschirme bevölkern und uns mitteilen, daß sie die Wahlen gewonnen haben. Es sollte das letzte Mal sein, daß diese Herren so ungeschoren ihre Plätze einnehmen können. Waltraud

Schoppe

„Ein neues Lied, ein bessres Lied, / O Freunde will ich euch dichten, / Wir wollen hier auf Erden schon / Das Himmelreich errichten...“

Heines utopisches neues Lied ruft sich nach der Lektüre des Wahlprogrammentwurfes der PDS 1994 in Erinnerung. Deren Analyse der Ausgangssituation in unserem Land stimmt zwar ansatzweise, doch die Beurteilung und Schlußfolgerung bleibt schwammig. In der Folge hängen nicht nur die frauenpolitischen Kursbestimmungen in der Luft, da der Bezug zur Realität allzu häufig verloren gegangen ist. Es ist kaum zu glauben, daß die PDS mit „der Anerkennung der vorrangig von Frauen geleisteten Arbeit im Bereich Familie, Kindererziehung und -pflege ... die bisherige geschlechtshierarchische Arbeitsteilung in der Gesellschaft“ aufbrechen will. Nicht nur daß ein „Allheilmittel Anerkennung“ die alleinige Veränderung bringen soll, sondern wie überhaupt Anerkennung erreicht werden kann, wird an keiner Stelle thematisiert. Meint sie etwa die Berücksichtigung in der Rentenversicherung, Lohn für Familienarbeit, die Berücksichtigung im Bruttosozialprodukt oder etwas ganz anderes?

Wirksame Ansätze, wie zum Beispiel gesetzliche Regelungen zur Chancengleichheit von Frauen, verlieren ihre Politikfähigkeit durch flüchtig hingeworfene Forderungen nach Gleichstellungsregelungen in allen Betriebsvereinbarungen, Tarifverträgen und im Betriebsverfassungsgesetz. Die Aufnahme gleichstellungspolitischer Maßnahmen in das Betriebsverfassungsgesetz ist eine Sache, die Einflußnahme auf Betriebsvereinbarungen oder gar auf Tarifverträge, das müßte doch der PDS auffallen, ist ein Eingriff in die Tarifautonomie. Und diese, so versichert die PDS an anderer Stelle, soll vehement „gegen Angriffe“ verteidigt werden.

Hoffnungsfroh frauenbewegt zeigt sich die PDS mit der Floskel von der „Beseitigung frauendiskriminierender Gesetze und Regelungen“. Es bleibt ein Geheimnis der PDS, welche Gesetze sie meint, im Zweifel wahrscheinlich alle, aber mit welchen Gesetzen will sie anfangen? Und was setzt sie an deren Stelle? Oder will sie nur die fehlende geschlechtsgerechte Sprache beseitigen? Allein das wäre ja ein Jahrhundertwerk.

Ebenso nüchtern bis nichtssagend ist die Forderung nach „Frauenförderungsprogrammen in allen gesellschaftlichen Bereichen“. Auch hier bleibt offen, wie sie dieses politische Ziel durchsetzen will und wer Adressat sein soll. Um so konkreter wird dann die PDS als selbsternannte „starke linke Opposition“ in Sachen Paragraph 218. Als ob es keine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegeben hätte, fordert sie unverdrossen die ersatzlose Streichung des 218. Populistisch ist daher auch die Forderung nach einer „Verankerung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch im Grundgesetz“. Nach dem Motto „Nur Utopien sind realistisch“ mag die PDS auf ein Wunder setzen. Aber Wunder – dies müßte die antiklerikale PDS wissen – gibt es nicht.

Das Programm einer Partei wird ad absurdum geführt, wenn die lockere Ansammlung populärer Forderungen kritischen Nachfragen nicht standhält. Die Volksweisheit „Wenn du willst, daß deine Träume wahr werden, dann wache auf“ gilt ganz besonders für diesen Entwurf. Ulla Schmidt

Können Frauen die SPD wählen? Sie könnten schon, aber sie sollten nicht. Zweifelsohne haben die Frauen in der SPD-Programmatik frauenpolitische Ziele eingebracht. Die SPD fordert die Aufhebung der Spaltung zwischen männlicher und weiblicher Welt – durch Arbeitszeitverkürzung, gerechte Verteilung der Reproduktionsarbeit und Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Frauen. Würden allein diese Forderungen umgesetzt, wäre schon einiges erreicht. Nun sind Parteiprogramme immer ein Blick in die Zukunft, ein einfacher Vergleich zwischen Ziel und Umsetzung wäre billig. Allerdings ist eine Partei daran zu messen, was sie auf dem Weg zu ihren Zielen unternommen und was sie unterlassen hat. So hätte der Einigungsvertrag die Möglichkeit zu einer Streichung des Paragraphen 218 eröffnet; die SPD hat sich in Verhandlungen mit der Regierungskoalition auf eine Variante eingelassen, die beim Strafrecht bleibt. Frauen in den neuen Bundesländern werden absolut schlechter gestellt, Frauen im Westen erfahren kaum eine Verbesserung. Hat es etwa eine einzige Initiative der SPD für einen Volksentscheid gegeben, mit dem alle Frauen zum 218 mitentscheiden können? Der Verweis auf die fehlende Zweidrittelmehrheit ist dabei lächerlich: Wer nicht Druck macht, initiativ wird, sich verbündet, um etwas zu erreichen, die oder der verantwortet eben, daß alles so bleibt, wie es ist.

Mit der Zustimmung zur Wirtschafts- und Währungsunion sowie zum Einigungsvertrag trägt die SPD Mitverantwortung dafür, daß Frauen in den neuen Bundesländern, die zuvor zu 95 Prozent erwerbstätig waren, nun die große Mehrheit der Arbeitslosen bilden, sie die Hauptlast der Auswirkungen der Kohlschen Einheitspolitik in der Familie tragen.

Auch mit der Zustimmung zum „Asylkompromiß“, der faktischen Abschaffung des Asylrechts, hat die SPD ihren Beitrag dazu geleistet, daß Frauen, die vielfach unter Lebensgefahr mit ihren Kindern ihre Heimat verlassen, hier kaum Zutritt finden können. Versprechungen, die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft, eines unabhängigen Aufenthaltsstatus für ausländische Ehefrauen u.a. durchzusetzen, sind bis heute hohl geblieben.

Sollten Frauen also die SPD wählen? Frauen sollten so wählen, daß frauenpolitische Ziele konsequent und quer durch alle Politikbereiche verfolgt und nicht jedem machtpolitischen Koalitionskalkül unterworfen werden. Frauen, die frauenpolitische und gesellschaftspolitische Emanzipation durchsetzen wollen, müssen die SPD feministisch und von links unter einen permanenten Druck setzen – innerhalb und außerhalb der Parlamente. Andrea Lederer