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„Der Störer soll der Verlierer sein“

■ Betriebsvereinbarung gegen sexuelle Anmache beim Jahreszeiten-Verlag

Nach dem Punktsieg des Betriebsrates im Jahreszeiten-Verlag, der sich erfolgreich gegen sexuelle Belästigung in der „Für Sie“-Redaktion zur Wehr setzte, geht die Belegschaftsvertretung nun in die Offensive. Als Konsequenz der jüngsten Vorgänge fordert sie den Abschluß einer Betriebsvereinbarung gegen Mobbing und sexuelle Anmache.

Der Fall des stellvertretenden Chefredakteurs der „Für Sie“ sorgte – wie berichtet – wochenlang für innerbetrieblichen Wirbel. Immer wieder gab es Beschwerden, daß er sich herablassend über Aussehen, Kleidung oder Auftreten von Kolleginnen ausließ. Eine Redakteurin bekam sogar zu hören: Hübsche Beine habe sie ja, aber Schreiben könne sie nicht.

Als vor ein paar Monaten eine Redaktionssekretärin sich bei der Personalabteilung über die sexuellen Belästigungen beschwerte, wurde kurz darauf ihre Arbeit nur noch kritisiert, so daß sie ihren Job inzwischen aufgeben mußte.

Dem Betriebsrat platzte der Kragen, er klagte gegen den Macho vor dem Arbeitsgericht auf „Entfernung der betriebsstörenden Person“. Da das Arbeitsgericht durchblicken ließ, der Klage stattzugeben, zog er jetzt die Konsequenzen und bat um die fristlose Auflösung des Vertrags.

Die Verlagsleitung hat offensichtlich aus dem Fall nichts gelernt. Sie stellte sich selbst nach dem Abgang noch hinter den Frauen-Anmacher und machte den Täter zum Opfer: „Die öffentlich vorgenommenen Vorverurteilungen im Hinblick auf die nicht bewiesenen Behauptungen über verbale sexistische Anmache haben zu einer Atmosphäre geführt, die es ihm nicht mehr ermöglicht, weiterhin kreativ für die Zeitschrift tätig zu sein.“

Für den Betriebsrat ist die Flucht nur ein Teilerfolg. Betriebsratsvorsitzender Jürger Zichnowitz: „Die Problematik von sexueller Belästigung im Betrieb ist damit nicht erledigt.“ Der Betriebsrat strebt nun an, mit dem Verlag eine Betriebsvereinbarung über Mobbing und sexuelle Belästigung abzuschließen sowie eine Frauenbeauftragte einzusetzen. Betriebsrat Ralf Holzer: „Da stoßen wir im Moment noch auf taube Ohren.“

Das anvisierte Procedere: Im vertraulichen Gespräch soll sich das Opfer zunächst an die Frauenbeauftragte des Betriebsrats wenden können, die dann bei dem Mobber intervenieren soll. „Der Störer soll die Chance bekommen, das zu unterlassen“, so Holzer. Hilft das nicht, soll eine von Betriebsrat und Verlagsleitung paritätisch besetzte Kommission eingreifen: Ermahnung, zwei Abmahnungen und zuletzt Kündigung. Gibt es in der Kommission keine Einigung über die Bewertung des Falls, soll ein Arbeitsrichter als Schlichter hinzugezogen werden. Holzer: „Es geht darum, daß der Störer der Verlierer ist.“ Kai von Appen

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