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Der Mantel

■ Fanny Müller:

an soll ja alle 10 Jahre den Beruf wechseln, und alle 5 Jahre den Arbeitsplatz, nur wie das mit den Männern ist, das sagen sie einem nicht (Gar nicht erst anfangen).

Jedenfalls habe ich mich vor zwei Wochen bei einer Firma vorgestellt. Laut Anzeige sollte es sich um ein junges und kreatives Team handeln. Das muß ja nicht verkehrt sein.

Die Sekretärin geleitet mich in ihren Designer-Jeans zu Herrn W. Herr W. ist der Personalchef und trägt auch richtig einen Pferdeschwanz zu seinem Kaschmirjackett. Ich trage meinen Frühjahrsmantel, diesen beigen mit dem altrosa Stich drin, bißchen schmuddelig ist er auch schon, den ich vor 8, 9 Jahren im Second-hand-Laden in der Susannenstraße gekauft habe, dieser Laden, der eigentlich nur Zombieklamotten feilbietet, aber alle paar Monate gibt es was richtig Gutes... ich nehme mal an, das interessiert keinen. Also weiter. Herr W. wirft einen Blick auf meine Turnschuhe (die gehören meinem Bruder) und dann:

Herr W.: Darf ich Ihnen den Mantel abnehmen?

Ich: Nö, den kann ich auch anbehalten. (Das T-Shirt „On the eights day God created Harley Davidson“ ist vielleicht doch eine Spur zu auffallend.)

Herr W.: Ich habe da einen Schrank, da kann ich ihn reinhängen.

Ich: Nicht nötig, der kann über die Stuhllehne...

Herr W.: Warum lassen Sie ihn mich nicht einfach in den Schrank...

Ich: Der liegt hier gut.

Herr W.: Der Schrank ist extra für Kleidung, da sind auch Bügel drin...

Ich: Dem Teil macht 'n bißchen Knautschen nichts aus.

Herr W.: Im Schrank wäre er aber...

Ich: Wenn es Sie glücklich macht – da isser.

Herr W.: Sie wissen wohl auch nicht, was Sie wollen, oder?

Sicher haben Sie schon erraten, daß es sich um einen Psychotest handelte, den alle Kandidaten erst durchlaufen müssen. Natürlich ist er mit Pauken und Trompeten durchgefallen.

Jetzt sitze ich wieder im kleinen Schwarzen bei meinem alten Chef Herrn Behrmann im Büro. Praktisch sehe ich aus wie vorher. Allerdings ist trotz dreimaligen Waschens die Grüntönung noch nicht ganz aus dem Haar rausgegangen.

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