: Außen hui und innen pfui
Durch „Öko-Design“ soll Schluß mit Mogelpackungen für umweltschädliche Produkte sein / Designer wollen nun engeren Kontakt zu Ökologen ■ Von Julia Seidl
Ihre Rolle als „Fassadengeber“ von Konsumartikeln und als Triebfeder der Wegwerfgesellschaft haben umweltbewußte Designer zunehmend satt. Seit dem deutschen Wirtschaftswunder mischen auch die Designer kräftig mit am Konsumrausch der Bevölkerung. Unter dem Vorzeichen „Immer mehr, immer schneller“ werden überflüssige Produkte auf den Markt gepreßt. Auf Kurzlebigkeit hin angelegt, wandern sie bald auf Mülldeponien, bereiten Schwierigkeiten bei der Entsorgung. Von ökologischen Kriterien bei der Produktion kann nicht die Rede sein.
Mit dem „Öko-Design“ steht jetzt ein Konzept zur Debatte, das für ein neues Berufsverständnis des Designers wirbt. „Während meines Studiums habe ich lange nach Kriterien gesucht, nach denen man Design bewerten kann“, berichtet der Industriedesign-Student Rainer Otto. Momentan schreibt er an seiner Diplomarbeit über „Ökologische Produktplanung am Beispiel des Bedürfnis des Kaffeetrinkens“. Auslöser war für ihn „der Ärger über Designer, die ihre Produkte als ,Öko-Design‘ bezeichnen, obwohl sie den Kriterien nicht entsprechen“.
Gewissen nicht mit Bio-Hülle erleichtern
„Öko-Stühle“ aus recycelter Pappe oder „Öko-Fernseher“, deren Innerstes Sondermüll der schlimmsten Kategorie darstellt, bringen noch lange keine Entlastung für die Umwelt. Öko- Designer wollen das schlechte Umweltgewissen von Firmen und Verbrauchern nicht mit einer Bio- Hülle erleichtern. Die Umwälzungen greifen tiefer:
Ein ökologisches Design versucht im Idealfall alle Phasen eines Produkts – von der Entstehung bis zur Entsorgung – unter umweltrelevanten Gesichtspunkten bei der Gestaltung mit einzubeziehen.
Als geschmäcklerisches Negativbeispiel dürfte dabei ein Versuch an der Hochschule der Künste (HdK) Berlin im Fachbereich Industrie-Design gelten. Im Auftrag der Firma Grundig sollte ein „Öko-TV“ realisiert werden. „Das war ein totaler Reinfall“, erzählt Rainer Otto: „Da durften mal zehn Studenten ran, die keine Ahnung hatten von den Auswirkungen der einzelnen Werkstoffe. Die standen dann vor den Fernseher und führten Pseudodiskussionen, ob Filz, Pappe oder Kunststoff umweltfreundlicher sind.“
Die „Öko-Fernseher“, die auf der IFA 1993 präsentiert wurden, entsprechen aber keineswegs den Anforderungen eines konsequent durchdachten Öko-Designs. „Außen hui und innen pfui“ – bemäntelten die angehenden Industriedesigner ökologisch völlig Unzureichendes. Was ist nun aber so anders am Öko-Design, wo es doch kein per se umweltfreundliches Produkt gibt?
Echte Schonung ist allein der Verzicht auf Konsum
Umweltschonend ist allein der Verzicht auf Konsum, so Christine Jasch vom Wiener Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW). Mit einer Arbeitsgruppe hat sie für das Umweltministerium Wien ein Handbuch zum Öko-Design entwickelt. „Designer müssen künftig ganzheitlich denken“, erklärt Christine Jasch, „Produkte dürfen nicht mehr ohne ihre Auswirkung auf die Umwelt betrachtet werden.“ Sie hat einen ganzen Kanon von Forderungen erarbeitet. Ziel sei ein Produkt, bei dessen Herstellung nur wenige Abfälle und Emissionen verursacht werden. Angestrebt wird eine Modulbauweise, durch die Produkte leichter repariert oder verändert werden können.
Allein durch den Austausch von Einzelteilen bleiben die Geräte so auf dem technisch höchsten Niveau. Wenn ein Öko-Design-Produkt seinen Geist aber dennoch aufgibt, muß es leicht zerlegbar sein, sollten alle Bestandteile recycelbar sein.
„Wir brauchen dringend Beispiele, um über die Praxis des Öko-Designs kommunizieren zu können“, fordert Christine Jasch vom IÖW Wien.
Eines der wenigen, aber dafür gelungensten, dürfte der Drehstuhl „Picto“ der niedersächsischen Firma Wilkhahn sein. Das elegante Design von „Picto“ geht Hand in Hand mit einer umweltfreundlichen Konzeption. „Für uns bedeutet Ökologie nicht nur recyceltes Klopapier oder ein Bäumchen mehr auf dem Fabrikgelände“, so Pressesprecher Rudolf Schwarz. „Picto“ setzt sich zu 95 Prozent aus sortenreinen Materialien zusammen. Da nichts verschweißt oder verklebt wurde, können kaputte oder verschmutzte Einzelteile leicht ausgetauscht werden.
Neuartig an „Picto“ ist der Ablauf der Produktentwicklung: Mit Hilfe von mehreren Arbeitskreisen versuchte die Firma, den „gap“ zwischen Designer, Techniker und Ökonomen zu verringern. Zudem wurde eine Ökobilanz erstellt, die sich über zwei Jahre erstreckte. Sie ergab eine Kriterienliste, die die Schädlichkeit der einzelnen Stoffe einschätzbar machen sollte. Der Wermutstropfen: Oft müssen noch Werkstoffe verwendet werden, deren Umweltverträglichkeit umstritten ist, klagt Pressesprecher Schwarz. Dazu zähle Polypropylen (PP), das für die Sitzschale von „Picto“ benutzt worden sei. Ersatzstoffe mit den gleichen Eigenschaften seien noch zu unerforscht.
Für die Entwicklung eines solchen Idealmodells braucht man einen langen Atem – und Geld. Doch momentan sind selbst etablierte Ingenieurbüros durch die Rezession ins Schwimmen gekommen. Öko-Design als unerprobtes Neuland scheint deshalb als zu riskant. Schuld an Vorbehalten und schlicht fehlendem Wissen kommt auch den Hochschulen zu.
Einziges Seminar in Berlin fiel auch noch aus
Im Studiengang Design der HdK Berlin beispielsweise bietet man gerade einmal ein Hauptseminar zum Schwerpunkt „Ökologie und Design“ an. Der Besuch des Seminars ist noch dazu freiwillig. „Letztes Jahr mußte das Seminar ausfallen“, berichtet der Lehrbeauftragte Jochen Gebauer-Dieterle der taz, „weil sich keiner angemeldet hatte.“
Auf den richtigen Dampfer möchte dagegen das österreichische Umweltministerium setzen. Zusammen mit dem Staatspreis für Design veranstaltete es 1993 zum ersten Mal auch einen Wettbewerb für umweltgerechte Produktgestaltung.
Mit Preisen und einem konzeptionellen Katalog soll auf innovative Lösungen im Öko-Design aufmerksam gemacht werden.
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