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Zum Klassenfeind

■ Wendehals Theodorakis morgen in Hamburg

Auch wer noch nie eine Note von ihm gehört hat, kennt ihn. Denn Mikis Theodorakis hat nicht nur die Musik zu dem erfolgreichen Streifen Zorba geliefert, sondern sich auch im Kampf gegen die Militärdiktatur profiliert. Seine Musik fiel der Zensur der Obristen zum Opfer und er selbst mußte in die Verbannung, konnte das Land 1970 aber erst nach internationalen Protesten verlassen.

Sein Name wurde zu einem Synonym für Demokratie und Menschenrechte. Von seiner Freilassung an für die nächsten fünfzehn Jahre wurde er ein unvermeidlicher Gast auf jeder Friedensveranstaltung von Chile bis zu Wladiwostok. Gerne druckte man seinen Namen fett auf Plakate, die mit Tauben und Olivenzweigen geschmückt waren. Daß der Weltbürger Theodorakis sein musikalisches Schaffen in diesen Jahren der moskautreuen kommunistischen Partei zur Verfügung stellte, änderte daran nichts.

Doch das ist längst Schnee von gestern. Denn ähnlich vielen anderen gealterten Künstler-Kommunisten hat auch der heute 70jährige die Seiten mit viel Brimborium gewechselt. Über die sozialistische Pasok landete er gegen Ende der 80er in einem ministeriellen Sessel der Regierung der konservativen Nea Demokratia. Erfolg- und glücklos führte der Wendehals kurz das Europaministerium.

Seine ideologische Umwandlung hatte allerdings nur den Effekt, daß er jenseits aller politischer Integrität bei der breiten Konsumentenmasse populär wurde. So bewegt aber auch sein politisches Leben die vergangenen zehn Jahre war, so stagnierte in gewissem Sinne sein musikalisches Schaffen. Der weltweit millionenfach verkaufte Komponist verabschiedete sich inzwischen wieder von Bouzouki- und Rebetiko-Klängen, mit denen er berühmt wurde, und widmete sich wie zum Beginn seiner Karriere seinem sinfonischen Werk, das ihm damals Ansehen bei bekannten Kollegen wie Milhaud und Schostakowitsch einbrachte.

Das heutige Programm bei seinem ersten Besuch seit sieben Jahren in Deutschland besteht im ersten Teil aus der Welturaufführung (Hamburg besitzt die Ehre des Welttourneestartes) von fünf Kammermusik- und Orchesterkompositionen, die zwischen 1947 und 1976 komponiert wurden. Im zweiten Teil singt der Komponist persönlich bekannte wehmütige politische Lieder. Politnostalgiker aller Coleur sind herzlich willkommen.

Nikos Theodorakopulos

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