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Umwandlungsflut ungebremst

■ Für 11.424 Wohnungen wurden 1993 Umwandlungs-Freibriefe beantragt / Wandsbek, Eimsbüttel und Nord am stärksten betroffen. Von Marco Carini

Die Umwandlungsflut ebbt nicht ab. Nach Erhebungen der Baubehörde beantragten die ImmobilienbesitzerInnen im vergangenen Jahr für nicht weniger als 8409 Hamburger Mietwohnungen nachträglich eine Abgeschlossenheitsbescheinigung: die rechtliche Grundlage für eine Umwandlung von Mietwohnungen in Wohneigentum. Dazu kommen noch einmal 3015 Neubauwohnungen, für die der begehrte Umwandlungs-Freibrief noch vor Fertigstellung beantragt wurde.

Spitzenreiter beim Umwandlungs-Monopoly ist Hamburg-Nord (Abgeschlossenheitsanträge für 2210 Wohneinheiten), gefolgt von Eimsbüttel (1780), Wandsbek (1466), Hamburg Mitte (1156) und Altona (1050). Nur südlich der Elbe hielten sich die Abgeschlossenheitsanträge in engen Grenzen: Für 481 Harburger und 266 Bergedorfer Wohnungen wurde das begehrte Umwandlungzertifikat beantragt. Im Neubaubereich hingegen liegt Wandsbek (956 Wohneinheiten) vor Altona (615) und Bau-Boom-Bezirk Bergedorf (589).

Während die Baubehörde ihre eigenen Angaben am Wochenende nicht kommentieren mochte, spricht die Stadtentwicklungsbehörde von „hohen Zahlen, die unsere Befürchtungen bestätigen“. Einig sind sich beide Behörden darin, daß Hamburg „seine Mittel im Kampf gegen die Umwandlung bereits ausgereizt“ hat: Nur wenn Bonn den Ländern und Kommunen grünes Licht gibt, die Umwandlung in bestimmten Gebieten generell zu verbieten, könnte die Umwandlungsflut zurückgedrängt werden.

Für Karin Aßmus von „Mieter helfen Mietern“ ist ein Umwandlungsfreibrief für über 11.000 Wohnungen, der fast immer auch ausgestellt werden muß, wenn er beantragt wurde, „eine Katastrophe“. Jede erteilte „Abgeschlossenheitserklärung schwebe wie ein Damoklesschwert über den Köpfen“ der über 20.000 Menschen, die in den betroffenen Wohnungen leben. Aßmus weiter: „Jede Umwandlung bedeutet den Verlust einer Mietwohnung und die Vertreibung von MieterInnen“. Neben einem „generellen Umwandlungsverbot“ fordert Aßmus weitere „Erhaltenssatzungen“ in den besonders betroffenen Stadtteilen.

Zur Erinnerung: Die abgetretene Stadtentwicklungssenatorin Traute Müller erließ im vergangenen Jahr für vier Gebiete sogenannte „Aufstellungsbeschlüsse für eine Erhaltenssatzung“. Diese können Umwandlungen zwar nicht verhindern, aber erschweren. Da die Bezirksämter Luxus-Modernisierungen, die meist mit Umwandlungen einhergehen, in Erhaltensgebieten untersagen dürfen und die Stadt per Vorkaufsrecht verhindern kann, daß Wohnhäuser in diesen Gebieten an Umwandlungsspekulanten veräußert werden, machen diese in aller Regel einen Bogen um die so geschützten Stadtteile.

Noch allerdings ist keine der Erhaltenssatzungen in Kraft, denn der Aufstellungsbeschluß muß jeweils noch durch eine verbindliche Rechtsverordnung aus der Feder des Senats abgelöst werden. „Innerhalb eines Jahres“ werde das passieren, versprach Traute Müller, als sie am 23. März 1993 große Teile von Eimsbüttel und Hoheluft-West als erstes Erhaltensgebiet in spe der Öffentlichkeit präsentierte.

Zwar ist diese Frist nicht mehr zu halten, doch immerhin – so verlautet aus der Stadtentwicklungsbehörde – ist die entsprechende Senatsdrucksache „fast fertig“. Dann geht das Umwandlungsmonopoly in eine neue Runde: Der Verband der Hamburger Wohnungseigentümer hat bereits eine Klage gegen die Eimsbüttler Erhaltenssatzung angekündigt.

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