: Ganz schön positiv
■ Bei der Hallenweltmeisterschaft der Leichtathleten in Paris machte sich der deutsche Sprint wieder bemerkbar
Berlin (dpa/taz) – Rundum positive Nachrichten: Die Pille hat Katrin Krabbe wohl nicht mehr genommen. Die Ex-Sprinterin hat zum ersten Mal bestätigt, daß ein Urintest positiv gewesen ist. Man folgere, die wegen Clenbuterol (Medikamentenmißbrauch) gesperrte Krabbe hat der Arzneien genug genossen: Die Neubrandenburgerin ist schwanger. Und ihre „Nachfolgerin“ auf der Tartanbahn, die brave Melanie Paschke, die Deutsche Meisterin, seither in der Hauptsache wegen ihres Sauberfrau-Lächelns zur Ehren gekommen, das sie schulmädchenartig in die Kamera gickerte, holte ihre erste internationale Medaille: Silber über 60 Meter bei der Hallen-Europameisterschaft in Paris. Ergo, alles positiv.
Oder finden Sie etwa, daß die Wandlung der Frau Paschke-Redlich zur sportlichen Erbin der ehemaligen deutschen Sprintkönigin einen negativen Beigeschmack haben könnte? Nee, nich bei einer Hallen-EM, wo bekanntermaßen die Trauben nicht ganz so hoch hängen wie im Freien. Kennen Sie Pjotr Botschkarjow? Pjotr wer? Eben. Der Russe ist Stabhochsprung-Europameister, in absentia des Trios der wahren Maestros, Bubka, Gataullin, Tarasow.
Nicht, daß Sie auf falsche Gedanken kommen, wir wollen niemanden nichts unterstellen. Nur: noch bei der Weltmeisterschaft in Stuttgart, als sich die 23jährige Melanie Paschke redlich mühte, aber nicht so ganz auf der Höhe der Zeit der muskelbepackten Frauen aus Jamaika und den USA war, sagte die Braunschweigerin mutig: „Unter 11,0 Sekunden fängt die Dopinggrenze an.“ Und beschied sich klaglos mit einem medaillenlosen Platz.
Ein Dreivierteljahr später, wir sind in Paris, ärgert sich die Studentin für Versorgungstechnik mit Schwerpunkt Recycling über die Silberne: „Hätte ich den Start nicht verpatzt, wäre Gold drin gewesen.“ Das aber glänzte an der Brust der fliegenden Holländerin, Nellie Fiere-Cooman (30). Und Melanie Paschkes Ehrgeiz, früher von der edlen Mitläuferinnenrolle absorbiert, wendet sich nun gewinnbringenden Metallen zu. Eine Medaille bei der Freiluft-EM in fünf Monaten in Helsinki sollte es, bittschön, schon sein: „Meine Ansprüche sind schließlich gestiegen.“ Aber ganz besessen vom läuferischen Siegeswillen sei sie nicht. „Ich würde verrückt werden, wenn ich nur noch Training hätte“, sagt sie und steigerte ihr Pensum von dreimal auf sechsmal wöchentlich. Ganz schön positiv.
Wie auch Mike Fenner. Der Berliner war mit seinem dritten Platz über 60 m Hürden mehr als zufrieden: „Ich bin nur glücklich“, hauchte er ins Mikro. Das 23jährige Kraftpaket (1,87 m, 90 Kilo) gewann die erste Männer-Medaille für das Team des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). „Superman“ sei ein anderer – für Fenner, den seitherigen Nobody, ist's Weltrekordler Colin Jackson (Großbritannien). 1990 war er vom Berliner TSC im Ostteil zum Läuferverein SCC in den Westteil der Stadt gewechselt. 1991 beim ersten Start einer vereinten deutschen Mannschaft bei der WM in Tokio im Vorlauf ausgeschieden. Verletzungen stoppten den Berliner im Olympia-Jahr und in der WM-Saison. Seit Oktober 1992 läuft er unter dem Kommando der Sportfördergruppe der Bundeswehr in Potsdam. Und explodierte: Gleich mehrfach besiegte er die WM-Finalisten Florian Schwarthoff (Heppenheim) und Dietmar Koszewski (Berlin). Und behauptet forsch: Das Ende der Vorherrschaft des Duos Schwarthoff/Koszewski sei gekommen. „Die alte Konstellation wird es nicht mehr geben.“ Ganz schön – na was wohl? Positiv? coh
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