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Ein Paradies für die grüne Mosaikjungfer

■ Im Werderland hinter Klöckner entsteht auf 700 Hektar Bremens größtes Naturschutzgebiet

Für Stadtmenschen in Rauhlederschuhen ist das Gelände bei kaltem Bremer Schmuddelwetter nur eine einzige große nasse Wiese, wo selbst die Wege knöcheltief unter Wasser stehen. Für die Uferschnepfe, das gefleckte Knabenkraut oder die grüne Mosaikjungfer, eine Libelle, dagegen ist es das Paradies: Das Werderland im Dreieck von Klöcknerhütte, Weser und Lesum soll in den nächsten Jahren zum größten Bremer Naturschutzgebiet werden. Gestern trotzte der grüne Umweltsenator Ralf Fücks Regen und Wind, um das Projekt stolz zu präsentieren. Er meldete „buchstabengetreue Umsetzung der Koalitionsvereinbarung“: Dort ist festgeschrieben, daß Teile des Werderlandes und das Vordeichgelände vor Weddewarden in Bremerhaven als Naturschutzgebieten ausgewiesen werden sollen.

Die Umweltschutzdeputation hat diese Maßnahmen am letzten Freitag beschlossen und damit auf den Verfahrensweg geschickt. In drei Schritten sollen im Werderland insgesamt 700 Hektar Wiesen, Auwälder und Wasserläufe unter Naturschutz gestellt werden, die bisher nur landschaftlich geschützt sind. Der Unterschied: Im Landschaftsschutzgebiet muß nur der allgemeine Charakter der Landschaft erhalten bleiben, beim Naturschutz soll der Mensch die Gegend völlig in Ruhe lassen. Im Werderland soll ein Streifen von etwa 250 Hektar, der im Westen an das Klöckner-Gelände anschließt, noch in diesem Jahr als Naturschutzgebiet ausgewiesen werden. Der restliche Teil Richtung Weser soll danach drankommen und ganz zum Schluß ein kleiner Zipfel nördlich von Klöckner.

Für Fücks ist die Ausweisung des Geländes als Naturschutzgebiet ein „historischer Kompromiß zwischen Ökologie und Ökonomie“. Zum ersten Mal sei damit eine Verzahnung von Naturschutzanliegen und der Ausweisung von Ausgleichflächen geschafft. Denn neben dem Flächenfraß durch das Klöcknerwerk wurde durch den geplanten „Industriepark West“ beim Stahlwerk noch mehr Naturfläche verplant. Dafür nun sollen die Wiesen im Werderland auf Dauer unangetastet bleiben. Durch das Gebiet führt ein Ökopfad, ansonsten ist das Betreten verboten, und wer keine hüfthohen Gummistiefel trägt, der wird das auch kaum versuchen.

Auch in Zukunft soll es Lanmdwirtschaft im Werderland geben: Denn das Werderland ist eine jahrhundertealte Kulturlandschaft, aus der die extensive Landwirtschaft nicht wegzudenken ist. Im neuen Naturschutzgebiet wird es für die Bauern Auflagen geben, wieviel sie düngen dürfen, wann und wo das Vieh stehen darf und wann die Weiden gemäht werden dürfen.

Das Ausweisen eines Naturschutzgebietes lohnt sich finanziell, denn es kostet kaum etwas. Die Entschädigungen für die Bauern werden sich 1994 nach Angaben des Umweltsenators auf etwa 50.000 Mark belaufen. Dazu kommen die Bauarbeiten (“Entwicklungsmaßnahmen“) im zweiten Geländeabschnitt: überall müssen die Wasserpegel angehoben und die Gräben abgeflacht werden.

Auch im nördlichsten Zipfel des Bundeslandes wird ein Naturschutzgebiet entstehen: 110 Hektar Wattenmeerküste sollen bei Weddewarden als Rückzugsgebiet gelten. Auch diese Maßnahme ist eine Kompensation für Flächenfraß: Gleich nebenan soll nämlich der umstrittene Containerterminal CT III gebaut werden. bpo

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