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Schrott zu Gold

■ Der Verein „Nutzmüll e.V“ ist zehn Jahre alt / Ständiger Kampf mit den Tücken der ABM-Finanzierung

Wenn die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von „Nutzmüll e.V.“ erzählen, klingt das ein bißchen wie eine Geschichte aus einem progressiven Kinderbuch: 1984 gründen ein paar müllskandalmüde HamburgerInnen einen Verein zur Müllverwertung und eröffnen ein Info- und Beratungsbüro. Für dieses entwickeln sie ein pfiffiges Kompostkonzept, landen mit ihrer „Wurmbank“ einen Hit und weihen dann 1988 einen 400 Quadratmeter großen Recyclinghof ein. Auf dem finden jede Menge auf dem Arbeitsmarkt schwer vermittelbare Jugendliche Arbeits- und Qualifizierungsmöglickeiten. Und nebenher werden ein paar Afrikaner in Gambia vor dem Hungertod bewahrt.

Die Bilanz kann sich sehen lassen: Recycelt werden 500-600 Kühlschränke pro Jahr. Die beim Recyclinghof erhältliche Wurmkiste kompostierte bereits in den Jahren 91/92 600 t Grünmüll - Tendenz steigend. Außerdem werden Möbel und Fahrräder dem „Aus-alt-mach-neu“-Verfahren unterzogen.

Ein öffentliches Jubiläumsfest wird es trotzdem nicht geben. „Wir sind nicht in Feierstimmung, denn unsere Zukunft steht mal wieder in den Sternen,“ meint Heinz Kötter im Hinblick auf wiederholte ABM-Kahlschläge. Die jetzigen Verträge laufen noch bis zum 31.10 94. Die ständige Unsicherheit ist nicht gerade förderlich für die Motivation der Mitarbeitenden.

Am liebsten sähen die Nutzmüller eine Gesetzesänderung, die sie unabhängiger von den ABM-Stellen machen würde. „Wir könnten uns durch den Verkauf unserer Recyclingprodukte problemlos teilweise selbstfinanzieren.“ sagt „Nutzmüll“-Sprecher Karl Klöckner. Als freiem Träger ist ihnen das aber untersagt. Einnahmen und Ausgaben müssen sich die Waage halten, die Hof-Produkte dürfen nur gegen eine Spende abgegeben werden. Auch das Verbot, Sozialhilfeempfänger einzustellen, empfinden die Initiatoren als belastend. Kötter ist trotzdem optimistisch: „Man gewöhnt sich an die ABM-Kürzungen. Wenn man das ein paar Mal hinter sich hat, fängt man an zu glauben, daß es immer irgenwie weitergehen wird.“

Die nächste große Aktion ist bereits geplant: dem im Herbst nach Gambia gesandten Container mit recycelten Fahrrädern und Nähmaschinen soll ein zweiter folgen. Der Transport kostet 6000 DM. So viel für das Transportieren von Ex-Schrott? Nutzmüll-Sprecher Karl Klöckner: „Mit der Arbeit an einer Nähmaschine kann dort eine fünfköpfige Familie ernährt werden. Und die Fahrräder, von denen auch dieses Mal zwanzig verschickt werden sollen, ermöglichen es den Kindern, die Schule trotz weiter Wege zu besuchen.“

Gebraucht werden noch dringend alte Nähmaschinen. Adresse: Recycling-Hof Altona, Mendelssohnstr. 13, Tel. 8903111.

Martina Parge

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