Eine Oase platzt aus den Nähten

■ „Buddhistisches Haus“ darf aus Gründen des Denkmalschutzes nicht erweitert werden

Wenn der Morgen dämmert, machen sich vier in safrangelbe Kutten gehüllte Gestalten auf den Weg zu ihrem Tempel. Aus der Ferne ist das Rattern eines S- Bahnzuges zu hören, die ersten Frühaufsteher hetzen zur Arbeit. Doch hier oben, auf einem Hügel im Berliner Villenvorort Frohnau, ist es ganz still. Ein mit frisch leuchtenden Blumen geschmücktes Meditationsbild hilft, die Gedanken auf die vier „Edlen Wahrheiten“ des Buddhismus zu konzentrieren. Die kleine Mönchsgemeinschaft am Edelhofdamm besteht schon seit 1924. Seitdem ist das „Buddhistische Haus“ Sinnbild für Abgeschiedenheit und für viele Berliner eine Oase, die sich bei den vom Streß der Leistungsgesellschaft Geplagten zunehmender Beliebtheit erfreut.

Wenn die Meditation beendet ist, zieht sich der Leiter des Klosters, Walpola Kalyanatissa, eine Strickmütze über den kahl rasierten Kopf, wickelt sich in einen dicken Schal und geht in der ausgedehnten Parkanlage spazieren, die das Buddhistische Haus umgibt. Aber so richtig genießen kann er diese Spaziergänge nicht mehr. Denn am 8. November 1993 hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz Park und Tempel unter Denkmalschutz gestellt. Zunächst nur für sechs Monate – dann kommt der endgültige Bescheid.

Für die Gemeinde war das ein herber Schlag. In manchen Monaten kommen bis zu 1.500 Besucher in das Buddhistische Haus. Deswegen hatte die German Dharmaduta Society, die das Zentrum von Sri Lanka aus betreibt, den Bau einer neuen Meditationshalle geplant. Um das Gebäude zu finanzieren, sollte ein kleines Stück vom Park verkauft werden. Auf den benachbarten Grundstücken, die bis vor einigen Jahren ebenfalls zum Park gehörten, stehen bereits Häuser. Doch als die Bauvoranfrage beim zuständigen Amt einging, klingelten dort alle Glocken. Mit Verweis auf das Denkmalschutzgesetz wurde das gesamte Gelände mit sofortiger Wirkung unter Schutz gestellt. Die Begründung: Diese Maßnahme sei nötig, um der künstlerischen und geschichtlichen Bedeutung der ersten buddhistischen Tempelanlage in Europa Rechnung zu tragen. Eine Bebauung ist deshalb verboten.

Der damals für die Unter- Schutz-Stellung verantwortliche Sachbearbeiter und jetzige Leitungsreferent in der Senatsverwaltung, Hagen Eyink, begründet die Maßnahme damit, daß die Anlage vor Schaden bewahrt werden soll. Mit dem Verkauf leiste man der weiteren Zerstückelung des Geländes Vorschub. Natürlich wolle er, daß die Gemeinde die Anlage weiter benutze, betont Eyink. Aber Veränderungen, die in die ursprünglichen Pläne des Gründers Paul Dahlke eingreifen, wolle er nicht zulassen. Der Berliner Arzt hatte den Tempel in den 20er Jahren gegründet, um den Buddhismus in Europa zu verbreiten.

Allmählich geht die Sonne auf über dem Frohnauer Villenviertel. Für Walpola Kalyanatissa und seine drei Mitbrüder beginnt das Tagewerk: Auch heute kommen Touristen, Frauen, die von ihren Männern verlassen wurden, Jugendliche, die mit ihrem Leben nicht fertig werden, alte Menschen, die Trost im Buddhismus suchen. „Was ist wichtiger“, fragt Kalyanatissa, „ein alter Park oder die Bedürfnisse unserer Besucher?“ Matthias Sobolewski (ADN)