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Stirbt der sportliche Schwimmer aus?

■ Widerstand der SPD-Sportstadträte gegen geplante Privatisierung der öffentlichen Frei- und Hallenbäder

Gegen das Vorhaben des Senats, die öffentlichen Schwimmbäder zu privatisieren, formiert sich Widerstand. Die Mehrheit der Sportstadträte der 23 Bezirke „ist entschieden dagegen“, sagte gestern der Sprecher der SPD-Sportstadträte, Helmut Borchardt vom Kreuzberger Bezirksamt.

Mit Unterstützung der Sportvereine und Elterninitiativen wollen die SPD-Sportstadträte versuchen, den Senat zu einem Sinneswandel zu bewegen. „Wir sind auch der Auffassung, daß bei den Schwimmbädern Veränderungen geboten sind, und hoffen auf eine offene Diskussion“, betonte Borchardt. Ein konkreter Termin für die Aussprache mit Sportsenator Jürgen Kleemann (CDU) steht noch nicht fest.

Die Mitarbeiter der Sportverwaltung basteln schon seit längerer Zeit daran, die 72 öffentlichen Schwimmbäder in eine andere Trägerschaft zu überführen. Denn die Bäder reißen mit einem jährlichen Zuschuß von 120 Millionen Mark ein großes Loch in die Haushaltskasse.

Auf der Sparklausur vor zehn Tagen hat der Senat die Privatisierung der Bäder zum 1. Januar 1995 beschlossen – vorausgesetzt, alle SenatorInnen unterschreiben das Protokoll der Sparklausur. Wie der Leiter des Referats Bäder in der Sportverwaltung, Edmund Brandt, auf Nachfrage der taz mitteilte, ist an eine betriebswirtschaftlich organisierte Rechtsform gedacht, die entweder eine landeseigene GmbH oder eine Aktiengesellschaft sein könnte. Der Vorschlag der landeseigenen GmbH habe jedoch größere Realisierungschancen.

Die 72 Bäder – etwas mehr als die Häfte davon sind Hallenbäder – blieben damit zu 100 Prozent Eigentum des Landes Berlin. Vorteil dieser Regelung ist laut Brandt, daß es künftig nur noch eine zentrale Verwaltung gibt, die aber kräftig sparen soll: 30 Millionen Mark jährlich. Das hieße, daß der Zuschuß „nur“ noch 90 Millionen Mark betrüge. Werbemanager und Unternehmensberater sollen der GmbH beim Sparen helfen. Rund 15 Millionen Mark, hofft Brandt, können langfristig durch Personalreduzierungen hereingeholt werden. Jeder der 1.400 Angestellten könne sich frei entscheiden, ob er von der GmbH übernommen werden wolle. Niemand werde entlassen, freiwerdene Stellen würden jedoch nicht mehr besetzt, bis das Personal um etwa 20 Prozent abgespeckt sei.

Parallel dazu soll die Attraktivität einiger ausgesuchter Hallenbäder erhöht werden. Die Mehrzahl der Badegäste, so Brandt, will Animation und Freizeitspaß. Der sportliche Schwimmer dagegen, der im Becken nur seine Bahnen ziehen will, „stirbt aus“. Das Ganze hat natürlich seinen Preis. Der Eintritt soll von 3,50 auf vier bis fünf Mark auf den in anderen Großstädten „allgemein üblichen Preis“ angehoben werden. „Das wäre eigentlich schon dieses Jahr fällig gewesen“, so Brandt. Entschädigt werden soll der Kunde jedoch durch längere Öffnungszeiten und ein besser geschultes Personal, das von der zentralen Verwaltung je nach Jahreszeit flexibler vom Hallen- ins Freibad und zurück verschoben werde könne.

Die Mehrzahl der SPD-Sportstadräte fordert schon lange eine Ausdehnung der Öffnungszeiten, so Helmut Borchardt. Bislang sei dies jedoch immer am Senat gescheitert. Die Rechnung, wie die 30 Millionen Mark gespart werden sollen, sei von vorn bis hinten „geschminkt“, meint der Kreuzberger Sportstadtrat. In wirtschaftlichen Krisenzeiten wie jetzt werde kaum ein Bademeister freiwillig kündigen. „Wenn man 25 Prozent der Bäder zumacht, spart man natürlich Geld“, sagt er zynisch. Der Bezirksbürgermeister von Prenzlauer Berg, Manfred Dennert (SPD) glaubt, daß die Erhöhung der Eintrittspreise auf Kosten der sozial Schwachen gehen wird. Erreicht werde damit das Gegenteil: weniger Badefreunde würden kommen.

Der Öffentlichkeitsreferent des Landessportbundes, Dietmar Bothe, befürchtet, daß die Schwimmvereine fortan in schlechte Bäder verdrängt werden, weil sich die Erlebnishungrigen in den guten Hallen tummeln. Plutonia Plarre

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