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Black & white – Geschichten aus dem neuen Südafrika Von Bartl Grill

Manche Leute glauben felsenfest, in Südafrika passieren nur furchtbare Dinge. Besonders nach einer Woche wie der vorigen: burische Rambos, die ins Schwarzenreservat Bophuthatswana einfallen, Straßenkämpfe, Dutzende von Toten, ein Tyrann auf der Flucht. Alles live in der Glotze, dazu die O- und Untertöne: Bürgerkriegsgeflüster, Untergangsraunen, das verkauft sich gut. Droht am Kap ein zweites Biafra? Eine Fortsetzung von Somalia? Oder gar ein Balkan des Südens: Solche Spökenkiekerei färbt die Wahrnehmung Südafrikas blutrot ein. Um Karl Kraus zu verdrehen: Die Lage ist hoffnungslos und außerdem ernst.

Unernst ist Verrat. Nein, heitere Geschichten, Rubriken wie diese darf man da nicht schreiben. Schwarz oder weiß! heißt die Kennung und nicht: schwarz und weiß. So manichäisch soll es, wie die Buschtrommeln melden, gelegentlich auch in Berliner Redaktionskonferenzen zugehen. Sancta simplicitas! Als ob das Leben im neuen Südafrika nur aus Mord und Terror und Leid und Tränen bestünde! Als ob hier keine Witze gerissen würden, die Kinder nicht mehr lachen können und alle Menschen immerzu Trauer tragen müßten.

Es soll an dieser Stelle keine neue Realismusdebatte eröffnet werden. Nur soviel sei festgestellt: Die Wirklichkeit ist nicht so eindimensional wie das Abbild, das die Medien von ihr zeichnen. Der Boykott ist vorbei, jetzt darf man die Widersprüche und Ungleichzeitigkeiten selber erfahren. Jetzt dürfen sie guten Gewissens einfliegen, die Anti-Apartheid-Aktiven, die Sandalistas und Betroffenen aller Länder. Südafrika ist nach Vietnam, Chile, Portugal und Nicaragua der „letzte Stopp des Solidaritätszuges“, wie eine Amerikanerin metaphert. Ein Holländer schwärmt: „Hier merke ich, wie langweilig es zu Hause ist.“

Polittourismus = Revolutionsromantik + Abenteuerreisen. Das Problem ist nur: Man hat schwer am Rucksack und schwerer noch an der Schuld zu tragen. Wir Sklavenhändler, wir Neoimperalisten, wir weißen Schweine! Jetzt im Land der Apartheid nur nichts falsch machen. Darf man dieses denken? Darf man jenes tun? Am Strand sich bräunen, während die Schwarzen im Township darben? Burenwurst essen, wo sie doch die Leibspeise der Unterdrücker ist? Kapwein trinken, den man boykottiert hat? Im Krügerpark, aus dem die Menschen vertrieben wurden, Tiere gucken? Lachen, obwohl alle weinen? Darf man alles nicht! Sagt der linke Biedermeier. Darf man. Sagt Frau Lebenslust.

Südafrika werde wie ein Exotikum der Dritten Welt behandelt, das durch den Komfort der Ersten Welt leicht zugänglich ist, schreibt der Kollege Mark Gevisser in der Weekly Mail. „Arbeiten die strugglistas hier ihre kolonialistischen Schuldkomplexe ab, oder ist das Land ein Hätscheltier für ihre Theorien des sozialen Wandels?“ Wohl beides.

Darüber hinaus gilt: nichts anmerken lassen, wenn einem Schlimmes widerfährt. Wie der arme Professor aus England, der unmittelbar nach seiner Ankunft in Johannesburg von schwarzen Tsotsis ausgeraubt und angestochen wurde. Aufrecht schritt er anderntags durch die Solidaritätskonferenz, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

Denn merke: Alle Schwarzen sind gut, alle Weißen sind schlecht – außer uns Antiimpis, natürlich.

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