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Weiter Unklarheit bei Mißbildungen

■ Dementis zu „Monitor“-Bericht / Ursache genetisches Risiko?

Der gestern ausgestrahlte Bericht des ARD-Magazins „Monitor“ über Mißbildungen bei Neugeborenen an der deutschen Nordseeküste beunruhigt offenbar schwangere Frauen. Die Leiterin des Gesundheitsamts in Wilhelmshaven, Helga Lienau, berichtete am Donnerstag von zahlreichen besorgten Anfragen werdender Mütter.

Nach Darstellung von „Monitor“ soll es in der Region Wilhelmshaven in den vergangenen Jahren eine Häufung von Mißbildungen der Hände und Arme Neugeborener gegeben haben. Diese Darstellung wird von der Stadtverwaltung energisch bestritten. Der Sprecher der Stadt Wilhelmshaven bezeichnete den Bericht am Donnerstag als unzutreffend und „offenbar schlampig recherchiert“. Auch Behördensprecher der an Wilhelmshaven angrenzenden Landkreise Wesermarsch und Friesland dementierten die Darstellung. Die Landesärztekammer Niedersachsen konnte dem zuständigen Sozialministerium die Monitor-Angaben ebenfalls nicht bestätigen.

Das Sozialministerium will den Behauptungen der Fersehautoren nach den Worten von Pressesprecher Thomas Steg sorgfältig nachgehen. In der kommenden Woche würden Vertreter des Ministeriums Gespräche unter anderem mit Eltern mißgebildeter Kinder in der Region Wilhelmshaven/Friesland führen, sagte Steg.

Wie die Monitor-Redaktion recherchierte, traten die Mißbildungen „besonders in der Gegend um Wilhelmshaven“ auf. Sieben von insgesamt 20 Kindern mit derartigen Fehlbildungen stammten aus der Umgebung der „Industrieregion“ Wilhelmshaven.

Nach Darstellung der Stadtverwaltung gab es in den vergangenen sechs Jahren zwei Mißbildungen der von „Monitor“ behandelten Art. Als Ursachen kämen nach den Feststellungen der zuständigen Mediziner individuelle genetische Risiken eher in Frage als Umwelteinflüsse. In beiden Fällen seien die Mütter Spätgebärende mit erhöhtem genetischen Risiko gewesen.

Ministeriumssprecher Steg wies in einer Stellungnahme erneut auf generell unzureichende Informationen der Gesundheitsbehörden über Mißbildungen Neugeborener hin. Bisher werden Fehlbildungen lediglich an die statistischen Landesämter gemeldet. Noch den Erfahrungen des Sozialministeriums wird allerdings nur ein geringer Teil der Fälle überhaupt bekannt.

Der Bundesgesundheitsminister hat unterdessen die Länder aufgefordert, Modellergebnisse im Zusammenhang mit Fehlbildungen umzusetzen. Die Konferenz der für das Gesundheitswesen zuständigen Minister und Senatoren der Länder (GMK) sei vor kurzem aufgefordert worden, entsprechende Voraussetzungen dafür zu schaffen, teilte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums mit.

Das Bundesministerium habe auf Bitten der GMK zwischen 1989 und 1992 einen Modellversuch an der Kinderklinik der Universität Mainz gefördert. Die Ergebnisse würden derzeit in einer zusätzlichen Modellregion in den neuen Ländern vertieft, heißt es in einer Mitteilung des Ministeriums. Zur Zeit werden nach diesen Angaben nur die bei der Geburt erkennbaren groben Fehlbildungen erfaßt. Eine vollständige Erfassung gebe es damit nicht. Es könne auch nicht bewertet werden, wie die Fehlbildungen entstünden und verbreiteten.

dpa

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