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Für ein Europa der aktiven Toleranz

■ Konferenz fordert internationales Frühwarnsystem gegen Völkermord

Die internationale Konferenz „Erinnerung an die Zukunft“ ging gestern zu Ende. In der Abschlußerklärung erinnerten die etwa 450 Wissenschaftler, religiösen Persönlichkeiten und Politiker an die politischen Aufgaben der Gegenwart. So wird die Bundesregierung „gebeten“, auch das Aufenthaltsrecht für Roma und Sinti zu sichern. Die „Regierungen der freien Völker“ wurden aufgefordert, ein „Frühwarnsystem gegenüber potentiellen völkermordenden Bewegungen zu errichten“. „Bestürzt“ zeigte sich die Konferenz über die Entscheidung des Bundesgerichtshofes, die Leugnung des Massenmordes an den europäischen Juden stelle für sich genommen keine Volksverhetzung dar. Auf der Abschlußveranstaltung im Audi-Max der Humboldt-Universität formulierte Hans-Dietrich Genscher als Aufgabe seiner Generation, „unser Deutschland auf ein Europa der aktiven Toleranz zu verpflichten“. Genscher sprach ganz ohne Ausgewogenheitsverrenkungen klar vom Faschismus als höchster Stufe der Menschenverachtung. Ignatz Bubis warnte vor den Intellektuellen, die die Verbrechen des Nationalsozialismus relativieren wollen. „Das kann auf fruchtbaren Boden treffen, denn wer möchte nicht lieber die positiven Seiten als die furchtbaren?“ Damit war eines der Leitmotive genannt, die die Diskussionen in den etwa 20 Arbeitsgruppen zu den Fachgebieten Geschichte, Theologie, Medizin, Pädagogik und Politik prägten. Wie kann erreicht werden, daß die Erinnerung an die Verbrechen der Vergangenheit tatsächlich vorbeugend wirkt für die Zukunft?

Die Konferenz konnte ihren Standort innerhalb des jüdisch- christlichen Dialoges nicht verhehlen. „Goodwill“ als Grundattitüde und das Prinzip Hoffnung durchschwebten die Tagungsräume. Muß das ein Fehler sein? Jedenfalls reduzierte dieses Klima den Spielraum teutonischer Miesepeterei beträchtlich. Auffallend war auch das Bemühen, die gegenwärtige Entwicklung in Deutschland in den europäischen und weltweiten Kontext einzuordnen. In der Arbeitsgruppe „Geschichte“ etwa betonte Robert A. Jacobs vom New Yorker Leo-Baeck-Institut zwar, es sei heute nicht leicht, als Jude oder als Angehöriger einer anderen Minderheit in Deutschland zu leben. Zugleich aber zeigte er sich überzeugt, daß staatliche Verfolgungen von Minderheiten heute auf Protest in der Bundesrepublik stoßen würden.

„Die Zukunft in unserer Hand“ war das Motto einer Podiumsdiskussion, die drei junge Leute aus verschiedenen Sektoren der deutschen Gesellschaft zusammenführte: „Ich habe mich dazu durchgerungen, mich als junger Jude und als Deutscher zu fühlen“, meinte Marc Grünbaum. Für Arzu Toker, die in der Türkei geboren wurde, ist die deutsche Sprache die Heimat. Das Land selbst aber jagt ihr immer wieder Angst und Schrecken ein. „Warum werden wir EinwanderInnen beharrlich Ausländer genannt? Wir wollen deutsche Staatsbürger sein, ohne Deutsche sein zu müssen.“ Auch Michael Hahn aus der ehemaligen Hauptstadt der DDR mochte die Zukunft nicht unbedingt zuversichtlich in die Hand nehmen. „Ich hoffe, daß der Wille in diesem Land stark bleibt, dem Bösen zu widerstehen.“ Marc Grünbaum vermißte eine demokratische Bürgerbewegung, die die Gefahren für die offene Gesellschaft klar erkenne. „Ich bin weder optimistisch noch pessimistisch. Für mich ist die zentrale Frage: Wie wird sich die deutsche Gesellschaft entwickeln? Wie wird das Superwahljahr ausgehen?“ Martin Forberg

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