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Die Toten, garstig anzuschauen

„Revenge of the Dead“ und „Puppenmord“ – Prima Filme im Checkpoint, wärmstens empfohlen  ■ Von Detlef Kuhlbrodt

Bei kaum einem Berliner Kino entspricht das Programm so sehr der Topographie wie bem „Checkpoint“ in der Leipziger Straße. Während die in ihrer ästhetischen Programmatik vergleichbaren altgedienten Off-Spielplätze „Sputnik“ und „Eiszeit“ ihr verstörendes Programm zum einen durch ein eher einheitliches Publikum, zum anderen durch eine anheimelnde Umgebung abfedern, liegt das „Checkpoint“ im verwaisten, ungastlichen Zentrum, also in der Peripherie (sozusagen in der zentralen Peripherie).

Nach der „Tagesschau“ ist hier Sense, ängstlich blickt man auf verdächtige Gestalten, die einem vereinzelt auf dem Bürgersteig entgegenkommen. Vor der Tür steht Carl Andersen, ein verdächtig wirkender Wiener Regisseur („Mondo Weirdo“), der demnächst sein neues schändliches Machwerk („Um Sex geht's auch und natürlich“, zwinkert er verschmitzt) der Öffentlichkeit vorstellen möchte. Und im Kino ist einem nicht so ganz klar, ob sich der Nebenmann aus ebenso lauteren ästhetischen Gründen nur die seltsamen Streifen anschaut, die die verdienstvollen Kinobetreiber ausgegraben haben. Vielleicht – man weiß ja nie – will er sich zu seltsamen und ungewöhnlichen Dingen von Filmen wie „Revenge of the Dead“ oder „Puppenmord“ animieren lassen.

Pupi Avatis „Zeder – Revenge of the Dead“ ist eine Ausgrabung. In deutschen Kinos war der 1983 gedrehte Film bislang nicht zu sehen, nur durch Werbeblöcke zerstückelt auf Pro7. Die Story ist klassisch: Ein Schriftsteller entdeckt auf dem Korrekturband einer alten schweren Schreibmaschine, die ihm seine verführerische Freundin geschenkt hat, seltsam esoterische Texte, in denen es um die Wiedererweckung der Toten geht. Neugierig geht er der Sache nach, trifft bei seinen Nachforschungen auf zwielichtige Mönche, einsame Tankstellen, findet schließlich eine sogenannte „K- Zone“, die irgendwas mit dem delphischen Orakel und anderen Kultstätten der Traumzeit zu tun hat und in der ein Wissenschaftlerteam streng geheime Experimente durchführt.

Auf geheiligtem Boden, so hoffen die Wissenschaftler und durchgedrehten Priester, sollen sich die Toten wieder erheben und rennen auch tatsächlich garstig anzuschauen durch die Gegend. Dieser und jener, so auch die Freundin des Helden, finden ein grausliches Ende. Am Ende begräbt der durchs viele Erleben gestählte Schriftsteller (nackter Oberkörper) seine tote Freundin in der geweihten Erde. In der Schlußszene kommt ihm die lebende Freundinnenleiche lächelnd entgegen und umarmt ihn heftig. Pupi Avatis sehr schön fotografiertes Machwerk, das auf Schock- und Gewalteffekte fast völlig verzichtet, beeindruckt durch allerlei hübsche Spannungsmomente – auch tagsüber ist man vor dem Bösen nicht gefeit –, vor allem vermittelt er jedoch eine seltsame Zeiterfahrung. Ob es am mangelnden Produktionsetat liegt oder an einem VW- Käfer, mit dem sich die Helden fortbewegen – man ist sich jedenfalls sicher, in einem 70er-Jahre- Film zu sein. So schnell vergeht die Zeit.

Im Gegensatz zu dem horrortypisch sehr langsamen Avati-Film ist „Puppenmord“, Michael Tuchners Verfilmung eines Romans von Tom Sharpe, eine extrem unterhaltsame, schnelle und spannende Komödie, die sehr gekonnt mit diversen Horrorfilmelementen spielt. Die Protagonisten des 1989 gedrehten englischen Films sind durchweg sehr schön typisiert.

Da ist der introvertierte Lehrer Henry Wilt (Griff Rhys Jones), der von seinen mißratenen Berufsschülern (Metzgerlehrlinge) schon ab und an eins auf die Nase kriegt und ganz fürchterlich von seiner ununterbrochen redenden, strohdummen Ehefrau Eva (Alison Steadman – man kennt sie aus diversen Mike-Leigh-Filmen) genervt wird. Die beschäftigt sich mit Tai-Chi-Kursen, Fecht- und Trockenskikursen, redet mit Micky- Maus-Stimme ständig von Meditationskursen und hat vor allem ekelhaft eingebildete FreundInnen in der High-Society. Ihre Schulfreundin Sally zum Beispiel, die wunderbar widerwärtige Frau eines ebenso widerwärtigen Geschäftsmannes.

Bei einer mondänen Oberklassenparty kommt es zum Eklat. Während Eva alles dufte findet und sich prächtig über Klitorisstimulation und andere Dinge unterhält, wird Henry immer wütender über das schön ekelhaft geschilderte Reichenpack. Einsam, angewidert und total deprimiert zieht er sich mit einer Champagnerflasche in eine Abstellkammer des Landhauses zurück, läßt sich von herunterfallenden Kisten zu Boden strecken und findet sich beim Aufwachen halbnackt an eine Gummisexpuppe gebunden.

Verzweifelte Befreiungsversuche scheitern. Alle lachen. Die Gattin ereilt ein Nervenzusammenbruch. Wütend und gedemütigt verläßt der sympathische Loser zusammen mit der Sexpuppe die Party. Am nächsten Tag sind seine Frau und ihre Freundin verschwunden. Ein ungeheuer komisch gespielter dicker Loser- Kommissar vermutet mindestens einen Doppelmord und verhaftet Wilt, der nach langen Verhören auch gesteht, daß er die zwei Frauen mit einer Motorsäge zerkleinert und die Reste durch den Fleischwolf einer Wurstfabrik gedreht hat. Wie's wirklich war, wird spät und nach vielen lustigen und spannenden Turbulenzen klar.

„Zeder – Revenge of the Dead“: bis Sonntag, 22 Uhr, 25.-27.3., 22.30 Uhr. „Puppenmord“: heute und morgen, 20 Uhr, 21.3.-23.3., 21.30 Uhr, Checkpoint, Leipziger Straße 55, Mitte.

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