: Stolpe: Zweifel bleiben
■ Zeugin hält nicht, was sie verspricht
Berlin (taz) – Der Mensch kann sich nicht an zwei Orten gleichzeitig aufhalten. Darauf stützt sich die Verteidigungsstrategie des Brandenburger Ministerpräsidenten Manfred Stolpe. Im Zusammenhang mit der Frage, wann und unter welchen Umständen der frühere Konsistorialpräsident die Verdienstmedaille der DDR erhalten hat, erhält der SPD-Politiker jetzt Rückendeckung von seiner ehemaligen Stellvertreterin, der pensionierten Oberkirchenrätin Christa Leweck.
In einer eidesstattlichen Erklärung gegenüber dem Untersuchungsausschuß gab Leweck zu Protokoll, sie habe am Nachmittag des 21.11. 1978 gemeinsam mit Stolpe und dessen damaligem Stellvertreter Christoph Demke an einem Leitungsgespräch in der Zentrale des Kirchenbundes teilgenommen. Dem gegenüber steht die Aussage des Führungsoffiziers von IM „Sekretär“, Klaus Roßberg, der zur gleichen Zeit Stolpe in einem konspirativen Objekt der Stasi den Verdienstorden überreicht haben will. Roßbergs Angaben werden durch eine Belegungsliste für die Stasivilla „Wendenschloß“ gestützt, in der für diesen Termin ein Treffen der Führungsoffiziere mit ihrem IM „Sekretär“ verzeichnet ist.
Der Teufel steckt im Detail: Christa Leweck notierte für den fraglichen Tag in ihrem Terminkalender: „15h, LK, DK, S.“ Die Kürzel stehen für Leweck, Demke und Stolpe. Aus der Tatsache, daß dieser Termin im Kalender nicht gestrichen wurde, schließt Leweck, das Treffen habe stattgefunden. Eine genaue Uhrzeit gibt sie nicht an.
Die Bündnis-Fraktion im Ausschuß hat sich nun die Mühe gemacht und Stolpes Terminkalender mit dem von Frau Leweck verglichen. Und siehe da, Stolpes Aufzeichnungen weisen für den 21. November zwei Eintragungen für ein Treffen im Sekretariat des Kirchenbundes auf: eine für 12 Uhr und eine für 15 Uhr. In einem Brief an den Ausschußvorsitzenden Lothar Bisky vom 26.11. 1992 hatte Stolpe dazu ausgeführt, der Eintrag für 12 Uhr bedeute „eine Beratung des Sekretariats, die ich mit meinen Stellvertretern, Dr. Christa Leweck und Dr. Christoph Demke, regelmäßig durchführte. Möglicherweise ist der 12-Uhr- Termin nicht realisiert, sondern auf 15 Uhr verschoben worden.“ Möglicherweise aber auch nicht.
Der dritte im Bund, der heutige Magdeburger Bischof Demke, sah am Mittwoch keinen Anlaß, die Angaben Lewecks in Zweifel zu ziehen. Wegen fehlender Unterlagen sah er sich aber außerstande, ein Treffen mit Stolpe und dessen Stellvertreterin zu bestätigen. Wolfgang Gast
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