Bürgerlicher Sieg in Frankreich

■ Beim ersten Durchgang der Kantonalwahlen gewannen die Regierungsparteien 45 Prozent der Stimmen / Sozialisten und Kommunisten erholten sich leicht

Paris (taz) – Als Frankreich am Sonntag abend die Ergebnisse der Kantonalwahlen erfuhr, gab es nur Gewinner: Der neue kommunistische Parteichef Robert Hue (KPF: 11,4 Prozent) freute sich, weil er seinen Vorgänger Georges Marchais um drei Prozentpunkte übertroffen hatte. Der Sozialistenchef Michel Rocard jubelte, weil seine Partei (PS und nahestehende Listen: 29 Prozent) aus dem Abseits zurückgekehrt war, in dem sie sich seit ihrer Niederlage bei den Parlamentswahlen vor einem Jahr befand.

Der oberste Rechtsextreme, Jean-Marie Le Pen, lobte das Abschneiden seiner Front National (FN: 10 Prozent) als Erfolg gegen die Medien, die ihn angeblich ignoriert haben. Und selbst ein Sprecher der beiden Umweltparteien, die zusammen nicht einmal 4 Prozent geschafft hatten, zeigte sich zufrieden – schließlich hätten sie nur in der Hälfte der Wahlkreise Kandidaten aufgestellt, weshalb ihr Wahlergebnis eigentlich doppelt gezählt werden müsse.

Edouard Balladur, dessen konservative Regierung seit einigen Monaten mit massiven Protesten von ArbeiterInnen, Fischern, SchülerInnen und neuerdings auch StudentInnen zu tun hat, sagte erst am späten Abend mit der ihm eigenen vornehmen Zurückhaltung, der „Test“ sei „nicht ungünstig“ verlaufen.

Die beiden Regierungsparteien hatten immerhin knapp 45 Prozent der Stimmen eingeheimst und ihr gutes Abschneiden von den Parlamentswahlen sogar noch übertroffen. Die Quittung für Balladurs hilflose Sozialpolitik blieb damit aus. Im Gegensatz zu dem deutschen Regierungschef Helmut Kohl bekam der französische Konservative Rückenstärkung mit der ersten Wahl dieses Jahres. Nächster Urnentest sind die Europawahlen im Juni.

Kantonalwahlen finden in Frankreich alle drei Jahre statt. Dabei werden die VertreterInnen für die Generalräte der 95 Departements des Landes bestimmt, die eine den deutschen Kreistagen vergleichbare Rolle spielen. Die Kompetenzen der Generalräte sind oft nicht klar von anderen Gremien abgegrenzt.

Das Wahlsystem ist denkbar kompliziert: Es wird jeweils nur die Hälfte der Generalräte erneuert und nur jeder zweite Kanton zur Urne gebeten. Wo im ersten Durchgang keine absolute Mehrheit zustande kommt, gehen die beiden bestplazierten KandidatInnen eine Woche später in eine Stichwahl. In Paris, das eine rein städtische Verwaltung hat, gibt es gar keinen Generalrat, ergo auch keine Wahl.

Traditionell neigen die Ergebnisse bei Kantonalwahlen nach rechts. Das liegt unter anderem daran, daß die Wahlkreise nach Oberfläche – und nicht nach Bevölkerungsdichte – eingeteilt sind. Kaum besiedelte ländliche Kantone sind dadurch ebenso stark in den Generalräten repräsentiert wie bevölkerungsreiche städtische Gebiete.

Symptomatisch für das Verhältnis der Franzosen zu Kantonalwahlen ist die niedrige Wahlbeteiligung (am Sonntag lag sie immerhin bei 60 Prozent). Sprecher der StudentInnen, die seit Wochen auf der Straße sind, wiesen gestern erneut darauf hin, daß sie kein Vertrauen mehr in die Politik haben. Viele von ihnen haben die Kantonalwahlen ignoriert. Sie werden statt dessen am Freitag wieder mit einem nationalen Aktionstag von sich hören lassen, mit dem sie gegen die von den Konservativen geplante „Integration in den Arbeitsmarkt“ (CIP) zu Sonderbedingungen für Jugendliche unter 25 Jahren protestieren.

Die Chancen der StudentInnen, Balladur weitere Zugeständnisse abzuringen, sind jedoch mit dem Wahlergebnis vom Sonntag gesunken. Dorothea Hahn