: Mies über den Wolken
■ Berlins Flughafenholding hat 1992 Verluste von 285 Millionen Mark gemacht / Dealt die BBF erneut mit Grundstücken?
Kleinlaut präsentierte Hans- Henning Romberg, Geschäftsführer der Berlin Brandenburg Flughafen Holding GmbH (BBF), gestern das Konzernergebnis für 1992. Insgesamt flog die BBF mit ihren drei Berliner Flughäfen Tegel, Tempelhof und Schönefeld einen Verlust von 285 Millionen Mark ein.
Weil die Zahlen für 1992 infolge umfangreicher Prüfungen durch die Unternehmensberatungsfirma Barclays de Zoete Wedd erst jetzt vorliegen, konnte Romberg während der Jahrespressekonferenz für 1993 nur Schätzungen abgeben: Danach soll der Verlust auf 63 Millionen sinken. Auch für 1994 sind rote Zahlen geplant: 34 Millionen. Für Investitionen, Begleichung von Schulden und Tilgung von Zinsen braucht der Flughafenkonzern zusätzliche Finanzmittel von 1,3 Milliarden bis zum Jahr 1997 – etwa ein Drittel davon sollen die BBF-Eigentümer Bund, Berlin und Brandenburg bezahlen.
Ursache der miserablen finanziellen Situation sind vor allem Grundstücksgeschäfte aus den Jahren 1991 uns 1992: Damals hatte die BBF das sogenannte „Baufeld Ost“ als Erweiterungsfläche für den Flughafen Schönefeld gekauft. Die Ausbauabsichten wurden nicht realisiert, der Wert der Grundstücke sank rapide, die Flughafen-Bilanz rutschte in die roten Zahlen.
Nach bislang unbestätigten Informationen der taz arbeitet die BBF zur Zeit erneut an ähnlich risikoreichen Grundstücksgeschäften – diesmal unter Einschaltung der Westdeutschen Landesbank. Bei Sperenberg südlich von Berlin – neben Schönefeld und Jüterbog einer von drei möglichen Standorten des geplanten Großflughafens Berlin Brandenburg International – seien Grundstückskäufe im Gange, um sich das Land zu sichern, solange es noch billig ist. BBF und Westdeutsche Landesbank dementierten entsprechende Aktivitäten gestern.
Fast zehn Millionen Passagiere kamen 1993 auf den Berliner Flughäfen an oder reisten ab – neun Prozent mehr als im Vorjahr. Auch Schönefeld hatte beim Fluggastaufkommen eine Steigerung um 7,7 Prozent zu verzeichnen. Dagegen sank dort die Luftfrachtmenge um fast 30 Prozent. „Aus betriebswirtschaftlichen Gründen“ will die BBF jetzt den ursprünglich für März 1994 geplanten Bau eines neuen Flughafengebäudes in Schönefeld verschieben.
Informationen der Nachrichtenagentur Reuters zufolge kritisiert die Unternehmensberatungs- Firma Barclays de Zoete Wedd, daß die BBF den Standort Schönefeld benachteilige. Hintergrund: Das Land Brandenburg und seine Vertreter im BBF-Aufsichtsrat wollen den neuen Großflughafen lieber in Sperenberg oder Jüterbog bauen, weil mit dem dort notwendigen kompletten Neubau mehr Geld zu verdienen ist. Mit der Absicht, den Neubau anstatt eines Ausbaus von Schönefeld zu rechtfertigen, verwende die BBF überhöhte Prognosen für das Fluggastaufkommen, so die Barclay-Berater.
Nach neuen Gutachten mußte Manfred Hölzel, für Verkehr zuständiger BBF-Geschäftsführer, die Zukunftsprognosen gestern nach unten korrigieren. Anstatt 23 Millionen Passagiere im Jahr 2004 erwartet der Flughafenkonzern jetzt noch 20 bis 22 Millionen. Für 2010 nannte Hölzel statt 30 lediglich 25 bis 28 Millionen Fluggäste. Im Endausbau sollen nicht mehr 60 Millionen, sondern 45 Millionen Passagiere abgefertigt werden. Zumindest mittelfristig bewegen sich damit die Prognosen in Richtung dessen, was die drei Flugplätze in Berlin nach dem teilweisen Ausbau von Schönefeld leisten könnten: 21,5 Millionen Fluggäste. Der Neubau des Großflughafens könnte durch die Prognosen wieder in Frage gestellt werden.
Nichtsdestoweniger hat der Aufsichtsrat der BBF beschlossen, beim zuständigen Umweltministerium des Landes Brandenburg den Antrag auf Eröffnung eines Raumordnungsverfahrens zu stellen. Dabei soll begutachtet werden, welcher der möglichen Standorte – Sperenberg, Jüterbog oder Schönefeld-Süd – für den geplanten Großflughafen in ökologischer, wirtschaftlicher und verkehrstechnischer Hinsicht der beste ist. Der Beginn des Verfahrens wird für Mai, der Abschluß für November diesen Jahres erwartet. Hannes Koch
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