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■ Neue Runde im Atompoker um NordkoreaLeere Drohungen

Anders als Pakistan und Indien ist Nordkorea dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten. Ähnlich wie die beiden südasiatischen Staaten steht Nordkorea unter Verdacht, eigene Nuklearwaffen zu entwickeln – oder zumindest die Fähigkeit dazu zu haben. Pjöngjang bestreitet das, läßt aber Inspektoren der Wiener Atomenergieorganisation ins Land, die es dann bei der Ausübung ihrer Aufgaben behindert. Die Regierungen von Pakistan und Indien lassen solche Kontrollen erst gar nicht zu. Doch sind sie wenigstens berechenbarer als jene Nordkoreas.

Niemand – auch die südkoreanischen, japanischen oder US-Geheimdienstler nicht, die sich seit Jahrzehnten an dem nordostasiatischen Land abarbeiten – kann wirklich sagen, wer im Regime des alternden Großen Führers Kim Il Sung und seines Sohnes Kim Jong Il gegenwärtig welche Fäden zieht. Die Wiener Atomkontrolleure konnten nur feststellen, daß man nicht ausschließen kann, daß Nordkorea an Atomwaffen arbeitet. Nachrichtendienste behaupten, daß das Land auch Trägerraketen hat oder entwickelt. Man weiß, daß das isolierte und wirtschaftlich schwer angeschlagene Land von China Öl und Nahrungsmittel bezieht und mit dem Iran Waffen gegen Öl tauscht.

All das ist nicht neu und macht auch keine aktuelle Krise aus. Neu ist nur, daß der Regierung von Bill Clinton jetzt „die Geduld ausgegangen“ ist. Daß man in Washington gerade jetzt meint, die Glaubwürdigkeit der US-Außenpolitik verteidigen zu müssen, die die Befreiung der Welt von atomarer Bedrohung zum Ziel erklärt hat. Nehmen wir einmal an, daß es sich nicht um ein Ablenkungsmanöver handelt. Daß die Clinton-Regierung nicht reflexartig nach einer Chance sucht, von innenpolitischen Problemen – Whitewater – abzulenken und zugleich außenpolitisch die China-Scharte auszuwetzen. Nehmen wir auch an, es gehe nicht nur um eine Befriedung der Militärs im Pentagon und der US-Rüstungsindustrie, die ihre Patriots sonst nirgends so recht loswerden. Womit kann man einem Regime wie dem nordkoreanischen denn drohen? Mit einem Wirtschaftsembargo? Also damit, daß die koreanische Gemeinde in Japan keine Gelder und Güter mehr nach Nordkorea schicken darf? Daß der Irak oder Iran oder China kein Öl mehr liefern dürfen? Wer soll das durchsetzen? Was sollen jetzt Drohungen, die nicht umsetzbar sind? Was immer die US-Regierung bewogen hat, für Sanktionen zu plädieren, das Ergebnis wird keine Minderung der Gefährdung in der Region sein. Zu fürchten ist vielmehr, daß die eher dialogbereiten Kräfte im Norden und Süden der koreanischen Halbinsel mundtot gemacht werden. Und daß die Hardliner auf beiden Seiten gewinnen. Dann kann es wirklich eine Krise geben. Jutta Lietsch

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